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Wer schön sein will, muss sterben

Wer schön sein will, muss sterben

Titel: Wer schön sein will, muss sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michele Jaffe
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den Hörer ab. »Zimmer 403 , wer spricht da, bitte?« Sie runzelte die Stirn, ihre Augen wurden vor Überraschung groß, und schließlich lächelte sie. »Na, danke, Ihre Stimme ist auch nicht gerade unangenehm. Ich seh mal nach, ob Miss Freeman zu sprechen ist.«
    Loretta hielt sich den Hörer an die Brust. »Ein David Tisch würde gerne mit dir sprechen.«
    Am Aufleuchten meiner Augen musste Loretta gesehen haben, was sie wissen wollte. Sie hielt mir den Hörer ans Ohr. »David!«, sagte ich, wahrscheinlich lauter als notwendig.
    »Hey, Baby. Wie … wie geht es dir?«
    Seine vertraute Bassstimme löste eine Welle reinster Freude in mir aus. Und etwas anderes Unerwartetes, das sich anfühlte wie – Erleichterung? Ich wusste nicht, wovor ich Angst gehabt hatte, aber als ich seine Stimme hörte, legte sie sich.
    »Jetzt geht’s mir gut. Kommst du mich besuchen?« Ich wollte nicht zu verzweifelt klingen, obwohl ich jetzt, da ich ihn am Telefon hatte, das Gefühl hatte, dass ich ihn brauchte. Dass ich ihn sehen musste.
    Es hörte sich an, als ob er ausatmete. Als wäre er auch erleichtert. »Heute Abend kann ich nicht, aber ich werde gleich morgen früh vorbeikommen. Ich wollte nur, dass du weißt, dass ich an dich denke. Und Babe?«
    »Ja.«
    »Besser als Törtchen. Das ist 139 .«
    Ich konnte nicht aufhören zu lächeln, obwohl es wehtat. »Nie im Leben.«
    »Doch.«
    Ich war so glücklich. Normal. Das hier war normal.
    Im Hintergrund hörte ich Stimmen, und ich hörte eine Sirene. Oder vielleicht war es auch bei mir.
    »Wo bist du? Hört sich an, als wärst du auf einem Parkplatz.«
    »So was Ähnliches. Hör zu, ich muss mich beeilen, aber wir sehen uns bald.«
    »Versprochen?«
    »Fest versprochen. Ich liebe dich, Babe. Mach’s gut. Bleib locker.«
    »Ich liebe dich auch.«
    Ich hörte ihn sagen: »Hey, warte …«, und dann legte er auf. Wen traf er? Welcher Glückliche würde ihn jetzt zu Gesicht bekommen?
    Es war egal. Ich würde ihn morgen sehen.
    Er scheint der perfekte Freund zu sein
, hörte ich mich zu Nicky sagen.
    Das war er.
    Ich grinste Loretta an.
    »Meine Güte, noch ein paar Dosen von ihm, und du machst hier Hampelmänner«, sagte sie. »Ich vermute, du magst ihn nicht besonders.«
    »Nicht besonders.«
    »Du hast genau rechtzeitig aufgelegt: Gerade wird deine Mutter ein Star.« Sie drehte den Ton lauter, als die Erkennungsmelodie der Fünf-Uhr-Nachrichten erklang.
    Mein Fall war der erste Beitrag. Ein Krankenwagen kam mit lauter Sirene vorbei, und dann kam meine Mutter ins Bild. Ich hatte ein Pult erwartet – für ihre Kandidaten hatte sie gerne Pulte –, aber stattdessen stand sie auf den Eingangsstufen des Krankenhauses mit Annie und Joe links neben sich, wie eine perfekte Familie. Rechts von ihr, auf dem Platz, auf dem ich immer stehen musste (»um ein Gleichgewicht ins Bild zu bringen«), war Klein Sloan. Aber das störte mich nicht. Nichts konnte mich ärgern.
    Ich dachte beim Zuschauen an Scotts Stillleben über Sehnsüchte, und dass alle ein verräterisches Detail an sich haben. Ich registrierte, dass Annie verschiedene Socken anhatte, dass die Fingerknöchel meiner Mutter weiß waren, die Art, wie Sloan immer wieder über ihre Schulter blickte und – Moment mal, hatte sie einen Knutschfleck? Einen hübschen. Das war eine der ersten Angewohnheiten, die ich David austreiben musste, als wir zusammen waren, denn man wusste nie, wann meine Mutter ein Familienfoto brauchte. Zu dumm, Sloan, dachte ich, du kannst mich noch nicht ganz ersetzen.
    Danach kam ein Bericht über einen Feuerwehrmann, der ein Kind vor einem Puma gerettet hatte, der aus einer privaten Wildtiersammlung entkommen war, ein Interview mit einem Wildtiertrainer darüber, wie man eine private Wildtiersammlung nicht halten sollte, und ein Beitrag über einen Raubüberfall auf einen Supermarkt, bei dem sie sich mit einem Karton Schokoriegeln, 143 , 72 Dollar und einigen Ausgaben des
Playboys
davongemacht hatten, wobei sie iPods als vermeintliche Elektroschocker gebrauchten. Es wurde noch über den Hot-Dog-Geschmackstest am Memorial-Day-Wochenende gescherzt, und dann setzte die Werbung ein.
    Orangensaft. Michigan. Zwei Drinks für einen an Freitagen. In Gedanken sah ich David und mich all das genießen, Arm in Arm, immer vor dem Sonnenuntergang.
    Ich verbrachte den Rest des Abends mit Fernsehen und dachte an all die Dinge, die David und ich machen würden, wenn es mir besserginge.
    Die letzte Werbung, die ich sah, bevor

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