Wer sich in Gefahr begibt - Granger, A: Wer sich in Gefahr begibt - A Rare Interest in Corpses
entweder aus dem Haus von Mrs Parry oder von Mrs Belling uns entdeckte und den Vorfall meldete. Unter den Bediensteten in jedem größeren Haushalt gibt es immer mindestens einen Spion.
Der Gedanke traf mich mit unerwartetem Nachdruck. Ja. Aber wer war im Haushalt von Mrs Parry der Spion? Nugent, die Tag für Tag hinter verschlossenen Türen mit ihrer gnädigen Herrin zusammen war und ihr den neuesten Klatsch berichtete, während sie ihr die Locken legte? Wohl eher nicht. Nugent schien mir wie eine Frau zu sein, die überhaupt keine Neigung zum Klatschen hatte. Nein, es musste Simms sein, dachte ich. Simms, der sich so unauffällig und geräuschlos durch das ganze Haus bewegte, wie Frank mir verraten hatte. Seine Arbeitgeberin war möglicherweise nicht die Einzige, die von ihm mit Schnipseln von Tratsch versorgt wurde. Ich hatte nicht vergessen, wie ich ihn an meinem ersten Abend im Haus in einer privaten Unterhaltung mit Dr. Tibbett bei der Eingangstür gesehen hatte. Frank hatte erzählt, dass der Butler und seine Frau es in ihrer gegenwärtigen Anstellung ›sehr komfortabel‹ hatten. Sie hatten reichlich Gelegenheit, Dr. Tibbetts Besuche zu beobachten und über seine Absichten zu spekulieren. Simms würde sicherstellen, dass er und seine Frau nicht die Verlierer sein würden, was auch immer sich daraus ergeben mochte. Mit einem Mal war ich doppelt froh, dass ich hier im Park geblieben war, bis ich meine Fassung wiedererlangt hatte, und nicht sofort nach Hause gegangen war.
James Belling redete weiter, verabschiedete sich von mir und bat um Verzeihung, dass er mich aufgehalten hatte.
Ich antwortete auf angemessene Weise und überquerte die Straße zum Haus von Mrs Parry, wo mir die Tür nicht von Simms, sondern von Wilkins geöffnet wurde, sehr hübsch in ihrer gestärkten Spitzenhaube und Schürze.
Ich erkundigte mich, wieso der Butler nicht geöffnet hatte, und erhielt eine einigermaßen verblüffende Antwort.
»Mylady ist nicht zu Hause, Miss, und Sie wollten kein Mittagessen; deswegen haben sich Mr und Mrs Simms den Nachmittag frei genommen und sind nach Highbury gefahren, um ihren Sohn zu besuchen.«
»Oh?«, sagte ich. »Ich wusste gar nicht, dass Mr und Mrs Simms Kinder haben.« Obwohl es natürlich keinen Grund gab, warum sie keine haben sollten.
»Nur den einen Sohn«, sagte Wilkins. »Sie sind sehr stolz auf ihn. Er ist Angestellter bei einem Anwalt.«
»Meine Güte!«, sagte ich. »Sie müssen sehr glücklich sein, dass er es so weit gebracht hat.«
»Mrs Simms bildet sich einiges auf ihn ein«, sagte Wilkins überraschend bissig. »Aber ich nehme an, ich würde es genauso machen, wenn ich an ihrer Stelle wäre.«
Wir leben in einer Gesellschaft, die sich rasch verändert , dachte ich, während ich die Treppe hinaufstieg. Ben Ross, dessen Vater noch ein Bergmann gewesen war, hatte dank meinem Vater eine Ausbildung erhalten und war zu einem Police Inspector aufgestiegen. Der junge Simms, dessen Eltern sich etwas darauf einbildeten, in die höheren Ränge der Dienstbotenschaft aufgestiegen zu sein, strebte einem selbstständigen Beruf entgegen. Sie und ihresgleichen schnappen bereits nach den Fesseln der Frank Cartertons und James Bellings’ dieser Tage, und in ein oder zwei Generationen würden sie sie überholt haben, dessen war ich sicher. Und die Frauen?, fragte ich mich. Wann würden wir uns von den Ketten befreien, die die Gesellschaft uns angelegt hatte, und zu neuen Ufern aufbrechen – und Dr. Tibbetts schlimmste Befürchtungen Wirklichkeit werden lassen?
Ich blieb vor Tante Parrys Schlafzimmertür stehen und lauschte. Ich glaubte, Bewegung hinter der Tür zu hören, und klopfte an.
Wie ich erwartet hatte, öffnete Nugent die Tür.
»Ich möchte Sie nicht bei der Arbeit stören«, sagte ich zu ihr. »Ich wollte nur sagen, dass ich genau den richtigen Faden für die Änderungsarbeiten gefunden habe.« Ich zeigte ihr meinen Kauf.
Nugents mürrische Gesichtszüge wichen einem Lächeln. »Oh, der ist wirklich perfekt, Miss! Ich habe die Ärmel bereits aufgetrennt. Kommen Sie, und sehen Sie es sich an!«
Sie trat zur Seite, und ich ging ins Zimmer, um ihre bisherige Arbeit an meinem Seidenmantel in Augenschein zu nehmen.
»Ich habe ihn in Myladys Schlafzimmer mitgenommen«, gestand sie, »weil Mylady für den Nachmittag außer Haus ist und weil die Sonne so hübsch und warm ins Zimmer scheint. Ich arbeite gerne hier drin.«
Ich sagte ihr, dass ich ihr dankbar dafür sei, dass
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