Wer sich in Gefahr begibt - Granger, A: Wer sich in Gefahr begibt - A Rare Interest in Corpses
Fingernägel ab, bis er zu einem Entschluss kam, was zu tun war.«
»Und dann«, sagte ich leise, »ging er wie ein Narr damit zu dem Mörder, in der Hoffnung, einen finanziellen Vorteil daraus zu schlagen. Vielleicht nur deswegen, weil es das Ende der Woche war, wie Sie angemerkt haben, und er seinen gesamten Lohn bereits ausgegeben hatte und kein Geld mehr besaß für ein Pint. Doch unser Mörder hat bereits einmal getötet, und man kann nur einmal gehängt werden. Es gibt also nichts, was ihn daran hindern könnte, ein zweites Mal zu morden. Erpressung, Morris. Da haben wir unser Motiv. Ich könnte darauf schwören, auch wenn wir nichts von alledem beweisen können. Ich wünschte, ich hätte einen Grund, eine zweite Autopsie zu verlangen, diesmal durchgeführt von Carmichael. Aber ich habe keinen Grund, Herrgott noch mal!«
Die Seemöwe – oder eine, die ganz genauso aussah wie die erste – war zurückgekehrt und landete flatternd ein Stück von uns entfernt. Ich glaubte, etwas Vertrautes an ihrem missmutigen Gesichtsausdruck zu erkennen, und fragte mich kurz, ob es, falls sie eine arme Seele in ihrer nach Fisch stinkenden Brust beherbergte, die von Adams war.
Ich kehrte zum Scotland Yard zurück und klopfte an Dunns Tür.
»Ah, Ross«, sagte der Superintendent und schob die Papiere auf seinem Schreibtisch beiseite. »Sie sollten sich mit, äh …«, er kramte einen bekritzelten Notizzettel hervor, »… Inspector Watkins … Sie sollten sich mit Watkins von der St. James Division in Verbindung setzen. Er besitzt einige Informationen über Ihren Dr. Tibbett, die möglicherweise von Interesse sein könnten.«
»Tibbett?«, rief ich. »Ich mache mich sofort auf den Weg! Allerdings sollte ich Ihnen zuvor sagen, dass ich soeben aus Wapping zurückkomme und fürchte, dass der Zeuge Jem Adams endgültig für uns verloren ist.«
Dunn wusste genau, was ich damit meinte. »Hat man die Leiche gefunden?«
»Ja, Sir. Der Chirurg sagt, er wäre ertrunken. Seine Leiche wurde bei Niedrigwasser am Ufer gefunden. Er war offensichtlich betrunken, als er in den Fluss gestürzt ist. Keine weiteren Verletzungen.«
»Sehr schade«, sagte Dunn. »Nun ja, da kann man nichts machen, schätze ich.«
»Mit Verlaub, Sir – ich denke, trotz der Ergebnisse der Autopsie, dass jemand nachgeholfen hat. Ich bin sicher, dass Adams von jemandem eingeladen wurde, der die Rechnung bezahlt hat. Nachdem Adams sturzbetrunken war, hat unser Unbekannter ihn nach Hause begleitet und ihn in einem geeigneten Moment in den Fluss gestoßen. Allerdings habe ich keinerlei Beweise für diese Theorie.«
»Dann sollten Sie besser welche suchen«, lautete Dunns Kommentar.
Ich ging zu Morris und beauftragte ihn, ein paar Männer zu organisieren und in den Pubs am Fluss in der Gegend, wo die Leiche von Adams gefunden worden war, Erkundigungen einzuziehen, ob jemand am Freitagabend Adams gesehen hatte und falls ja, in wessen Begleitung.
»Das ist, als würden wir eine Nadel in einem Heuhaufen suchen, Sir«, sagte Morris trübselig.
»Ich weiß, Sergeant, ich weiß. Wenn die anderen Gäste Adams gesehen haben, werden sie es aller Wahrscheinlichkeit nach nicht sagen. Trotzdem bleibt uns nichts anderes übrig, als zu fragen. Wir haben eine kleine Chance. Selbstverständlich wäre es möglich, dass unser Killer sich in einer Verkleidung mit Adams getroffen hat. Es ist sogar sehr wahrscheinlich. Wenn wir also eine Beschreibung erhalten, dann führt sie uns vielleicht noch weiter von der richtigen Spur weg. Aber auf diese Weise können wir wenigstens sicher sein, dass Adams nicht allein getrunken hat, und wenn sein Begleiter für alle ein völlig Fremder war, deutet dies auf ein faules Spiel hin, ganz gleich, was der Chirurg von Wapping dazu sagt. Also geben Sie sich Mühe, Morris.«
Und mit diesen Worten machte ich mich auf den Weg in die Gegend von Picadilly.
In der Vine Street herrschte große Geschäftigkeit. Aus dem Eingang zur Polizeiwache drang schrilles Geschnatter, das meiste von Frauen zweifelhaften Charakters, die laut protestierend darauf beharrten, respektable Bürgerinnen zu sein, die ungerechtfertigt von den Constables auf dem Nachhauseweg oder während einer Besorgung festgenommen worden seien. Unter ihnen befanden sich auch zwei junge Mädchen, die ich auf kaum mehr als zehn Jahre schätzte. Doch das war bereits alt genug, um sie auf die Wache zu bringen. Sie waren in schmuddelige Kleidung gehüllt, und ihre Gesichter waren kantig,
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