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Wer sich in Gefahr begibt - Granger, A: Wer sich in Gefahr begibt - A Rare Interest in Corpses

Wer sich in Gefahr begibt - Granger, A: Wer sich in Gefahr begibt - A Rare Interest in Corpses

Titel: Wer sich in Gefahr begibt - Granger, A: Wer sich in Gefahr begibt - A Rare Interest in Corpses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Granger
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Richter und die Geschworenen ließen es ihm aber nicht durchgehen, und er wurde zum Galgen verurteilt. Es war ein ziemlich trauriger Fall, glauben Sie mir. Phelps war ein einsamer Mann, und die Gesellschaft dieser Mädchen war die einzige weibliche Gesellschaft, die er je gekannt hatte.«
    Watkins zeigte einen Funken von Interesse. »Ist Tibbett in Ihren Mordfall verwickelt?«
    »Das weiß ich nicht. Bisher kann ich lediglich sagen, dass ich reichlich Verdächtige, aber keinerlei Beweise habe. Doch das, was Sie mir über Tibbett erzählt haben, klingt äußerst interessant.«
    »Geben Sie mir Bescheid, falls Tibbett Ihr Mann ist«, sagte Watkins. »Ich empfand ihn als grässlichen, alten Hochstapler.«
    Als ich die Wache in der Vine Street verließ, war der Nebel noch dichter geworden, als ich befürchtet hatte. Die wirbelnden Schwaden hatten einen kränklichen Gelbton, als wären sie vollgesogen mit Nikotin, und sie hüllten alles und jeden ein, raubten einem den Atem und betäubten die Sinne. Fußgänger eilten vorbei, hustend und mit Schals vor den Gesichtern, einige auch nur mit Taschentüchern in dem vergeblichen Bemühen, den alles durchdringenden Gestank abzuwehren. Droschken fuhren in dem gleichen langsamen Tempo vorbei wie die Fuhrwerke der Brauereien. Die Luft roch faul. Verzerrte Geräusche hallten körperlos durch die Luft, ohne dass man ihren Ursprung hätte erkennen können. Es war, als wäre ich von Geistern umgeben.
    Inmitten dieser Umgebung, während ich in Richtung Scotland Yard eilte, so schnell ich konnte, hörte ich meinen Namen rufen. Ich blieb stehen, schaute mich vergeblich nach dem Rufer suchend um und fühlte mich schließlich veranlasst, selbst zu rufen: »Ja? Wer ist da? Hallo?«
    »Ich bin es, Inspector Ross!«, antwortete eine Stimme, die zwar nicht vertraut war, doch die ich erst vor kurzer Zeit gehört hatte. Eine Gestalt materialisierte im Zwielicht, und ich sah, dass es der Assistent von Carmichael war, ausgerechnet.
    »Ich bin es, Sir, Scully«, sagte er, als ich seinen Gruß nicht erwiderte. »Sie kennen mich, Sir. Ich bin der Gehilfe von Dr. Carmichael.«
    Der Nebel kroch mit feuchten, kalten Fingern hinten in meinen Mantelkragen und an meinem Rückgrat nach unten – oder war es Scullys Gegenwart, die dieses Gefühl verursachte? Ich hatte vorher nicht einmal seinen Namen gekannt, doch selbstverständlich kannte ich sein teigiges Gesicht und die Art, wie er sich bewegte, als würde er über dem Boden schweben. Was zum Teufel hatte er hier zu suchen, und wieso hatte er mich erkannt? Wie hatte er mich überhaupt sehen können, wo ich ihn nicht sehen konnte? Hatten seine Augen die Gabe, das Zwielicht zu durchdringen, im Gegensatz zu den meinen?
    »Was bringt Sie an einem solchen Tag in diese Gegend?«, erkundigte ich mich gereizt.
    »Glauben Sie mir, Sir, ich wäre bestimmt nicht draußen, wenn ich nicht arbeiten müsste«, erwiderte er. »Ich wage zu sagen, dass es bei Ihnen das Gleiche ist, Sir.«
    »Ja, sicher. Verzeihen Sie bitte, aber ich habe es eilig«, sagte ich, wandte mich ab und setzte mich wieder in Bewegung.
    »Vielleicht bleiben die Bösewichter ja bei diesem Wetter in ihren Schlupflöchern, Inspector Ross, wie?«, rief Scully mir hinterher.
    Vielleicht aber auch nicht, dachte ich mürrisch. Der dichte Nebel bot jedem Deckung, der unerkannt bleiben wollte.
    Anonymität verschleiert Geheimnisse. Was hatte Scully nach draußen in den Nebel getrieben? Andererseits hatte selbst die aufrechteste Säule der Gesellschaft ihre Geheimnisse, über die sie eifersüchtig wachte. Wie jener alte Halunke Tibbett, der sich einbildete, mich tadeln zu können, als er mich bei meiner Unterhaltung mit Lizzie gesehen hatte, und seinerseits des Nachts durch die Bordelle zog und sich Gott weiß welchen perversen Vergnügungen hingab. Watkins’ Informationen waren eine richtige Offenbarung gewesen, dachte ich, während ich meinen Weg zum Scotland Yard fortsetzte. Dennoch musste ich darauf achten, mich nicht von meiner persönlichen Abneigung auf eine falsche Fährte führen zu lassen und in eine Sackgasse zu geraten. Watkins’ Bericht über den Mord im Bordell und Dr. Tibbetts Anwesenheit unter den Kunden hatte mich erschüttert, doch die unglückselige Prostituierte war stranguliert und nicht erschlagen worden. Ein mehrfacher Mörder tötet nicht unbedingt immer auf die gleiche Weise, doch häufig ist es so. Er hat eine Methode gefunden, die für ihn funktioniert, und er bleibt dabei.

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