Wer sich in Gefahr begibt - Granger, A: Wer sich in Gefahr begibt - A Rare Interest in Corpses
ob der Stein in Südamerika gekauft worden war, und dachte unfreundlich, dass er an ihr verschwendet war. Sie war eine mürrisch dreinblickende Frau und meiner Meinung nach niemals hübsch gewesen. Allerdings war sie sehr modisch gekleidet und gewaltig geschnürt.
»Sie war die Tochter eines Kurators. Ich nehme an, das ist der Grund, warum die Bischofswitwe sie bei sich aufgenommen hat. Man sollte meinen, dass die Tochter eines Hilfsgeistlichen moralischen Prinzipien folgt!«, fügte sie ärgerlich hinzu. »Wenn man sich schon nicht mehr auf die Geistlichkeit verlassen kann, dass sie ihre Kinder zu einem Vorbild erzieht, dann wird sich der moralische Verfall in den unteren Schichten noch weiter ausbreiten, als dies ohnehin schon der Fall ist.«
»Und ihre Eltern?«, fragte ich.
»Oh, sie sind beide tot, genau wie ihre Geschwister. Sie war eines von fünf Kindern, doch sie war die Einzige, die das Erwachsenenalter erreicht hat. Sehr traurig, wirklich, doch nicht ungewöhnlich. Es gab kein Geld. Sie wurde sich selbst überlassen, und wir wissen ja inzwischen, wohin das geführt hat!«
»Wissen wir das, Ma’am?«, fragte ich.
»Sie war auf der Suche nach einem Mann«, erklärte Mrs Belling scharf. »Obwohl sie nichts hatte, was sie ihm hätte bieten können.«
»Ich habe sie eigentlich als eine sehr angenehme Person empfunden«, bemerkte James unerwartet.
Er war so still gewesen, dass ich seine Anwesenheit beinahe vergessen hatte, und ich nehme an, seiner Mutter ging es genauso. Ihr Kopf ruckte zu ihm herum, und sie fragte herrisch: »Was weißt du denn schon, James? Du hast sie doch gar nicht gekannt!«
Er errötete. »Nun ja, nein, Mama. Aber ich bin ihr begegnet.«
»Wann und wo?«
Ich hatte ihm die gleiche Frage stellen wollen, doch seine grimmige Mutter war mir zuvorgekommen. Es war besser, dass sie die Frage stellte; deswegen reagierte ich nicht verstimmt.
»Ich war ein paar Mal der vierte Mann beim Whist, als du, Mrs Parry und Madeleine gespielt haben, erinnerst du dich? Außerdem war sie einige Male zusammen mit Mrs Parry hier bei uns. Und einmal hast du mich zu Mrs Parry mitgenommen, und Madeleine war da.«
»Pah!«, sagte seine Mutter. »Wie kannst du einen Menschen aufgrund einer so flüchtigen Bekanntschaft beurteilen?« Sie wandte sich wieder an mich. »Die Meinung meines Sohnes hat in dieser Angelegenheit überhaupt nichts zu bedeuten.«
»Ich bin trotzdem daran interessiert, sie zu hören«, entgegnete ich.
»Danke sehr«, sagte James knapp und, wie ich meinte, nicht ohne Ironie.
Vielleicht bemerkte seine Mutter den ironischen Unterton ebenfalls. »Du kennst doch nur deine elenden Fossilien, James«, sagte sie in ruhigem Ton. »Es wäre besser, wenn du dich bei allen anderen Dingen mit deiner Meinung zurückhalten würdest.«
»Fossilien, Sir?«, fragte ich ihn.
Unerwartet füllte sich das blasse Gesicht des jungen Mannes mit Leben, und er beugte sich eifrig vor. »Ja. Ich sammele Fossilien, und ich arbeite zurzeit an einem Buch, von dem ich glaube, dass es eine Menge zur gegenwärtigen Debatte beitragen wird. Ich war auf einer Reihe von äußerst erfolgreichen Expeditionen, und meine Sammlung gehört, glaube ich, mit zu den besten und umfangreichsten, die es in diesem Land in privaten Händen gibt. Interessieren Sie sich für Fossilien, Inspector?«
»Ich habe ein paar beeindruckende Versteinerungen in Schiefer gesehen, der in der Gegend der Kohlenminen gefunden wurde«, sagte ich.
»Dann, vielleicht …«
Doch James durfte nicht zu Ende reden. »Der Inspector ist nicht hergekommen, um über Fossilien zu reden, James!« Mrs Belling wandte sich zu mir. »Wäre das alles, Inspector? Es gibt nichts mehr, was ich Ihnen noch sagen könnte, und James weiß überhaupt nichts.«
»Ja, Ma’am. Ich danke Ihnen für Ihre Zeit.«
Der Butler materialisierte scheinbar aus dem Nichts, ohne dass seine Herrin nach ihm geläutet hätte. Er musste draußen vor der Tür gelauert haben. Er gehörte zur gleichen Sorte wie Simms, der Butler der Parrys, und führte mich mit effizienter Geschwindigkeit nach draußen.
Ich war nicht weiter überrascht, dass ich bei meiner Rückkehr in den Scotland Yard eine Nachricht auf meinem Schreibtisch von Superintendent Dunn vorfand. Darin stand, er würde sich freuen, mich in seinem Büro zu sehen.
Wie ich mir gedacht hatte, war Fletcher vor mir dort gewesen.
»Wie lange wollen Sie noch Männer auf der Baustelle behalten?«, fragte mich Dunn, kaum dass ich durch
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