Wer sich in Gefahr begibt - Granger, A: Wer sich in Gefahr begibt - A Rare Interest in Corpses
die Tür war. »Dieser Fletcher hat mir das Ohr wund geredet. Er scheint zu glauben, dass sämtliche Ermittlungen unsererseits Teil einer Verschwörung sind, seinen Zeitplan zu stören und die Pläne der Midland Railway Company zu unterminieren.«
»Ich hoffe, heute dort fertig zu werden. Ich brauche alle Männer. Wir sind knapp an Personal. Solange die Baustellenleiter nicht mit uns kooperieren, verlangsamen sie alles nur noch mehr. Ich schaffe es einfach nicht, Fletcher zur Einsicht zu bewegen.«
Dunn seufzte und kratzte sich an seinem eisengrauen Schopf. Am Morgen, wenn er zur Schicht eintraf, lag sein Haar immer gut gekämmt, um sich im Laufe des Tages zu einem veritablen Heuhaufen emporzuarbeiten.
»Nun ja … Mr Fletcher hat sicher seine Auftraggeber im Nacken; also springt er uns in den Nacken. Wie heißt das Sprichwort doch so schön? Große Flöhe haben kleine Flöhe, die ihnen in den Rücken beißen.«
»Und kleine Flöhe haben kleinere Flöhe und so weiter und so fort«, beendete ich den Satz für ihn.
»Jedenfalls trifft das zu einhundert Prozent auf die Arbeit eines Polizisten zu!«, grollte Dunn. »Dann lassen Sie mal hören. Wer sind Ihre wahrscheinlichen Kandidaten für den Mord?«
»Ich kann nicht sagen, dass ich schon welche hätte, Sir! Es gibt ein oder zwei Gentlemen, die eine Ermittlung wert wären, falls das Mädchen in der Tat mit einem Geliebten durchgebrannt ist. Einer lebt im Haushalt der Arbeitgeberin, Francis Carterton. Er hat eine Karriere im Foreign Office vor sich, und ich glaube, er ist als Erbe seiner reichen Tante vorgesehen, Mrs Julia Parry, die Madeleine als ihre Gesellschafterin eingestellt hatte. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Mrs Parry eine Ehe zwischen ihrem Neffen und ihrer Gesellschafterin gutgeheißen hätte. Ich nehme nicht an, dass es die Sorte von gesellschaftlich vorteilhafter Paarung gewesen wäre, die eine Karriere hätte fördern können. Wenn er dumm genug war, dem Mädchen andere Hoffnungen zu machen, dann hat er sich in eine ziemliche Zwickmühle begeben.«
»Carterton, hm …«, murmelte Superintendent Dunn. »Sonst noch jemand?«
»Da wäre noch Mr James Belling. Seine Mutter hat ihrer Freundin Mrs Parry Madeleine Hexham empfohlen. Mrs Belling kannte das Mädchen nicht persönlich, sondern bekam es ihrerseits von dritter Seite empfohlen, einer Bekannten in Durham. Mr James Belling kannte Madeleine, so viel steht fest. Er scheint stark unter der Fuchtel seiner Mutter zu stehen. Er interessiert sich für Fossilien und reist gerne durchs Land auf der Suche nach neuen Stücken. Ich will herausfinden, ob er im Laufe dieser Reisen schon einmal oben im Norden gewesen ist. Er schreibt zurzeit ein Buch über das Thema. Ich nehme an, er hat keine andere Beschäftigung. Seine finanziellen Mittel werden zweifellos von der Mutter kontrolliert. Diese Frau ist ein Monster. Eine Verbindung zu Miss Hexham hätte sie gewiss nicht gebilligt. Sie hätte ihrem Sohn das Leben zur Hölle gemacht, wenn sie auch nur den Verdacht gehegt hätte, dass von seiner Seite aus ein Interesse an der jungen Dame bestehen könnte.«
»Hah!«, sagte Dunn finster und strich sich mit den kurzen Fingern durchs Haar, das von seinem Kopf abstand wie die Borsten eines Malerpinsels.
»Dann wäre da noch die Frage nach dem Verbleib der Briefe, die Miss Hexham aus Durham an Mrs Belling geschrieben hat, bevor sie nach London gekommen ist. Ich würde zu gerne wissen, wo sie geblieben sind. Möglicherweise wurden sie vernichtet. Mrs Belling deutete an, dass sie an Mrs Parry übergeben wurden, doch Mrs Parry hat mit keinem Wort erwähnt, dass sie in ihrem Besitz sind oder dass sie überhaupt von ihrer Existenz weiß. Ich habe das Gefühl, die Andeutung war schlicht dazu gedacht, meine Neugier zu dämpfen. Möglicherweise sind sie in irgendeiner Schublade im Haus der Bellings verloren gegangen. Oder, falls Mrs Parry sie tatsächlich erhalten hat, liegen sie vergessen irgendwo in ihrem Haus.«
Dunn lehnte sich in seinem Sessel zurück und fixierte mich aus seinen kleinen schlauen Augen. »Also wäre es möglich, falls jemand die Handschrift der Toten imitieren wollte, dass er die Briefe in einem der beiden Häuser gefunden hat und als Vorlage hat nehmen können, korrekt?«
»Jawohl, Sir. Obwohl Mrs Parry den Brief nicht aufbewahrt hat, in dem Miss Hexham ihr mitgeteilt hat, dass sie durchgebrannt ist. Die Kleidung des Mädchens wurde daraufhin unter den Bediensteten verteilt. Miss Hexham wurde
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