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Wer sich nicht fügen will

Wer sich nicht fügen will

Titel: Wer sich nicht fügen will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Letholainen
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den Bereitschaftsdienst zu verlassen und das Telefon abzuschalten. Taneli schlief als Erster ein, Iida las noch eine halbe Stunde. Als auch sie schlief, ging ich ins Wohnzimmer, nahm meine Bassgitarre und griff zerstreut in die Saiten, während ich mich gleichzeitig durch die Fernsehsender zappte. Die Frage, wann Antti am nächsten Tag nach Hause kommen würde, wäre ein plausibler Vorwand gewesen, ihn anzurufen, doch ich widerstand der Versuchung. Ich konnte auch morgen früh noch mit ihm telefonieren. Als Kaartamo und ich in den Abendnachrichten gezeigt wurden und beide nicht gerade vorteilhaft aussahen, machte ich eine Flasche Cider auf. Venjamin kletterte mir auf die Schulter und leckte meine Haare, als wären sie das Fell seiner Mutter. Seine Pfoten massierten mir die Schultern, ein herrliches Gefühl, bis er die Krallen ausfuhr und ich ihn auf den Fußboden setzen musste. Ich spielte auf dem Bass vor mich hin und träumte davon, den Verstärker voll aufdrehen zu können. Nach zehn kroch ich zu meinen Kindern ins Bett. Im Traum erschien mir Vladimir Putin, der verkündete, er wolle auch in Finnland für die Präsidentschaft kandidieren.
     
    Am Morgen war der Himmel immer noch grau. Wir ließen uns Zeit mit dem Aufstehen, denn das Eislauftraining begann erst um zehn. Es war ein Wunder, dass der Verein es geschafft hatte, eine verhältnismäßig menschliche Zeit für die kleinen Eiskunstläufer zu finden, normalerweise hatten die Eishockeyspieler Vorrang.
    Eine der Boulevardzeitungen brachte einen groß aufgemachten Bericht über die Mordermittlungen, die nach Ansicht des Reporters katastrophale Züge annahmen, da es immer neue Opfer gab. Koivu hatte mir eine Nachricht auf der Mailbox hinterlassen: Ein Reporter hatte versucht, auf die Intensivstation vorzudringen und Tero Sulonen zu fotografieren. Die Mitarbeiter der Skandalblätter scherten sich nicht um ethische Regeln. Inzwischen wirkte sich die immer schärfer werdende Konkurrenz auch auf die seriösen Zeitungen aus, die immer häufiger schockierende Fotos der Opfer von Bomben und Naturkatastrophen brachten. Den Boulevardblättern genügten barbusige Schönheiten auf dem Titelblatt längst nicht mehr, sie berichteten mit Vorliebe über heimliche Liebschaften oder Kinderpornographie. Diesmal allerdings wäre ich für jeden Blödsinn dankbar gewesen, der unsere Ermittlungen aus den Schlagzeilen verdrängt hätte.
    Ich schmierte den Kindern Butterbrote als Proviant fürs Training und freute mich, dass ich meine Schwiegermutter nun doch nicht zu stören brauchte. Meine Mitarbeiter schienen auch ohne mich zurechtzukommen. Iida fragte aufgeregt, ob wir rechtzeitig zur Kür der Damen bei der Eiskunstlauf-WM zurückkommen würden. Sie hatte sich aus einem alten Bettlaken eine kleine finnische Fahne gebastelt, die sie schwenken wollte, wenn Susanna Pöykkiö an der Reihe war. Iida vergötterte die gesamte finnische Equipe und war sehr traurig darüber, dass Finnland nur eine Läuferin zur Weltmeisterschaft entsenden durfte.
    »Aber nächstes Jahr kriegen wir bestimmt zwei Plätze, Susanna ist ja nach der Pflicht schon Zehnte. Mutti, könnten wir nicht mal zu einer Meisterschaft ins Ausland fahren?«
    »Wenn du ein bisschen größer bist und es schaffst, stundenlang auf der Tribüne zu sitzen«, versprach ich und wusste, dass ich mein Versprechen eines Tages würde einlösen müssen. Iida war in solchen Dingen sehr genau.
    Plötzlich wurde die Tür aufgeschlossen. Ich wunderte mich, denn meine Schwiegermutter klingelte normalerweise, und außerdem erwartete ich sie gar nicht. Aber es war Antti.
    »Ach, du bist schon zurück.« Die Kinder stürzten sich auf ihren Vater, Taneli klammerte sich an seine langen Beine, Iida reichte ihm schon bis an die Taille. »Bist du mit dem Flugzeug gekommen?« Ich brachte es nicht über mich, ihm einen Kuss zu geben. Zwischen ihm und den Kindern hätte ich auch gar keinen Platz gehabt.
    »Nein, mit dem ersten Zug um halb sechs. Ich hab die ganze Nacht nicht geschlafen«, sagte Antti und beugte sich über die Kinder hinweg zu mir, sodass seine Lippen mein linkes Ohr streiften. Sein Atem roch säuerlich. »Es war eine nette Party, aber ich wollte endlich nach Hause. Virve meint auch, ich sollte so schnell wie möglich mit dir reden.«
    Meine Hand, die das Buttermesser hielt, erstarrte mitten in der Bewegung. Jetzt ist es so weit, Antti will mich verlassen. Ich konnte an nichts anderes denken. Obwohl ich zeitweise den Verdacht gehabt

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