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Wer sich nicht fügen will

Wer sich nicht fügen will

Titel: Wer sich nicht fügen will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Letholainen
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seine Leibspeise.
    Als ich vor unserem Haus parkte, teilte mir Koivu per SMS mit, Arto Saarnio sei mit dem letzten Finnair-Flug aus Stockholm gekommen, und er selbst fahre jetzt nach Hause. Für seine Frau Anu waren die letzten Tage sicher nicht leicht gewesen, auch wenn sie aus eigener Erfahrung wusste, wie hektisch es im Dezernat gelegentlich zuging. Einen derart komplizierten und vielschichtigen Fall hatte ich allerdings noch nie zu bearbeiten gehabt, denn in Espoo passierte durchschnittlich nur ein Mord pro Jahr. Statistisch gesehen war Espoo ein sicherer Wohnort. Gewaltverbrechen geschahen in Finnland eher in kleineren Ortschaften – meine Heimat, Nordkarelien, belegte in dieser traurigen Statistik einen Spitzenrang. Dort handelte es sich meist um blutige Auseinandersetzungen unter Junkies oder Säufern.
    Beim Elternabend in Iidas Klasse war von einer Untersuchung die Rede gewesen, der zufolge man bereits bei einem achtjährigen Kind voraussagen konnte, ob es als Erwachsener kriminell werden würde. Die anderen Eltern hatten zuerst die Lehrerin und dann mich – sie wussten, was ich beruflich machte – gefragt, mit welchem Recht man bereits kleine Kinder derart abstempelte. Iidas Lehrerin hatte eine kluge Antwort gegeben: Die Untersuchung diene dazu, die Anzeichen rechtzeitig zu erkennen und verhängnisvolle Entwicklungen zu stoppen. Leider ließen sich die Eltern von Problemkindern selten bei Elternabenden blicken. Ich dachte an Pamela, deren bisheriger Lebensweg allen düsteren Prognosen entsprach. Ich hatte ihr viel zu verdanken und wollte versuchen, etwas für sie zu tun.
    Ich war im Treppenhaus, als Söderholm anrief. »Ein tolles Stück, die Schleuder«, erklärte er begeistert. »Die wäre glatt was für die Sammlung des Kriminalmuseums.«
    »Sicher.« Mit der Einkaufstüte am Handgelenk versuchte ich, die Aufzugtür zu öffnen.
    »Du spielst Bass, hab ich gehört. In unserer Band ist gerade ein Platz frei geworden. Hättest du Lust, mal probeweise mitzuspielen?«
    »Was für Musik macht ihr denn?«
    »Polizeipunk«, lachte Söderholm. »Die Songs stammen von mir und vom zweiten Gitarristen, Montonen aus Helsinki. Er sagt, ihr seid euch neulich bei einer Festnahme begegnet.«
    »Keine schlechte Idee. Ich ruf dich an«, sagte ich und zwängte mich in den Aufzug. Die Kinder liefen mir fröhlich entgegen, meine Schwiegermutter kam aus dem Bad und sagte, sie habe Tanelis bessere Winterhose gewaschen, die ich vor Tagen in den Waschkorb getan und völlig vergessen hatte. Wir machten aus, dass ich die Kinder zu ihr nach Tapiola bringen würde, falls etwas Unvorhergesehenes passierte. Meine Schwiegermutter erkundigte sich wieder, ob ich mit Antti gesprochen hatte, und ich behauptete, ich hätte keine Zeit gehabt. Das stimmte ja auch beinahe.
    Ich machte Schinkennudeln, die wir alle gerne aßen, und wagte es, eine halbe Flasche Bier dazu zu trinken, obwohl ich nicht wusste, ob ich nicht doch noch Auto fahren musste. Nach dem Essen räumte ich auf, dann backte ich mit Iida Mokkakuchen, las den Kindern »Michel aus Lönneberga« vor und flickte Iidas Eislauftrikot. Ich machte keinen Versuch, Antti zu erreichen. Er sollte ungestört feiern, redete ich mir ein, doch in Wahrheit hatte ich einfach Angst, ihn anzurufen. Ich fürchtete, er würde sich entweder gar nicht melden oder mir Ausflüchte und Halbwahrheiten andrehen.
    Gegen acht rief Ursula an.
    »Hallo. Wir haben am Nachmittag Frau Länsimies in ihrem Schuhgeschäft aufgestöbert. Herr L. ist ihren Worten nach heute und morgen bei einem Seminar des Ministeriums für Verkehr und Kommunikation in Kuopio. Frau L. meint, Herr L. nehme keine Gespräche an, weil er gegenüber der Presse keinen Kommentar zum Tod seiner engen Mitarbeiterin abgeben wolle. Ein empfindsamer Knabe, unser Herr Länsimies.«
    »Eine ganz neue Seite an ihm. Wusste die Dame zu sagen, wann Herr L. zurückkehrt? Ist er per Flugzeug unterwegs oder im eigenen Wagen?«
    »Er wird morgen um vier Uhr fünfundzwanzig auf den blauweißen Flügeln der Finnair in Helsinki-Vantaa einschweben. Sollen wir ihn am Flughafen in Empfang nehmen?«
    »Aber selbstverständlich. Ich rufe dich morgen früh an, bis dahin weiß ich, ob ich mitkommen kann. Wenn ja, darf Autio zu Hause bleiben. Okay? Macht jetzt Feierabend.«
    »Ich hab heute noch eine Einladung zum Dinner«, schnurrte sie und legte auf.
    Die Kinder wollten unbedingt im Elternbett schlafen, und ich gab schließlich nach. Ich wagte es sogar, mich auf

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