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Wer sich nicht fügen will

Wer sich nicht fügen will

Titel: Wer sich nicht fügen will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Letholainen
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Dolmetscherin stand.
    »Was heißt das?«, fragte ich zurück, doch Ursula konnte mir nicht antworten, da die Dolmetscherin Johanna Klimkin auf uns zutrat und uns begrüßte. Sie war um die sechzig, eine fröhliche Frau, mit der ich gern zusammenarbeitete. Ihr warmherziger Umgang mit den Zeugen verfehlte selten seine Wirkung. Johanna wirkte wie ein Puffer zwischen der Polizei und den Befragten, sie tröstete und verzuckerte schwierige Fragen, dolmetschte aber, soweit ich es beurteilen konnte, dennoch möglichst genau. Sie hatte mir einmal erzählt, dass die weiblichen Verwandten ihres russischen Mannes in Finnland regelmäßig für Prostituierte gehalten wurden, dabei waren sie hochqualifizierte Fachkräfte, von der Physikerin bis zur Wirtschaftswissenschaftlerin. Doch ihre Muttersprache und ihre vom finnischen Stil abweichende Kleidung genügten, um sie abzustempeln.
    Oksanas Gesicht war wieder zur Hälfte von einem Verband bedeckt, und sie stand augenscheinlich unter der Wirkung von starken Schmerzmitteln.
    »Guten Morgen, Oksana. Hoffentlich geht es dir schon etwas besser«, begann Johanna meine Worte zu übersetzen.
    Oksana nickte. Ich sagte, wir wollten mit ihr über Lulu sprechen. Oksana erzählte, sie habe Lulu um Hilfe gebeten, weil sie nicht wusste, was sie von der finnischen Polizei zu erwarten hatte. Sie fürchtete immer noch, ins Gefängnis zu kommen, sei es in Finnland oder in der Ukraine. Lulu hatte einen freundlichen Eindruck gemacht.
    »Außer den Freiern haben wir keine Finnen kennen gelernt. Wir haben aufeinander aufgepasst. Lulu habe ich ganz zufällig getroffen. Einmal haben wir uns im Mikado gesehen, da hat sie mich vor den finnischen Polizisten gewarnt. Später sind wir uns dann auf dem Hotelflur im Hesperia begegnet, wir kamen beide von einem Freier. Da habe ich es gewagt, ihr mehr von mir zu erzählen. Aber als ihr Polizisten zu mir in die Klinik gekommen seid, wusste ich, dass ich fliehen musste. Ich habe mir heimlich ein Handy geborgt, das die Krankenschwester liegen gelassen hatte. Lulu hat mich abgeholt und in das Sommerhaus gebracht. Sie hat versprochen, am Freitag zurückzukommen.« Oksana wickelte sich fester in die Decke. Die Kanüle in ihrem mageren Arm wirkte überdimensioniert.
    »Du hast gestern gesagt, Lulu hätte dich aufgefordert, dir die Sendung ›Überraschungsgäste‹ anzusehen, weil es eine echte Überraschung geben würde. Das musst du uns genauer erzählen. Für wen war die Überraschung bestimmt?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Lulu hat viel gesagt, aber sie hat Englisch gesprochen, das ich nicht sehr gut verstehe. Ich habe heute Morgen versucht, mich an ihre Worte zu erinnern. Lulu war nett zu mir, ich möchte helfen, ihren Mörder zu finden. Könnt ihr mir dann auch helfen, dass ich nicht ins Gefängnis komme?«, fragte sie flehend.
    »Nach dem finnischen Gesetz ist es zwar strafbar, sich in der Öffentlichkeit zu prostituieren, aber ins Gefängnis kommt man deshalb nicht«, antwortete ich. Zudem würden sich wohl kaum Zeugen finden, die gegen sie aussagten. »Und die illegale Einreise führt nur zur Abschiebung. Die wahren Verbrecher sind nach dem finnischen Gesetz die Zuhälter. Du kannst uns helfen, sie vor Gericht zu bringen. Aber du hast Recht, noch wichtiger ist es, den Mörder zu finden. Was hat Lulu dir erzählt?«
    »Man hat mir gesagt, wenn man sich verkauft und dabei erwischt wird, kommt man in ein finnisches Gefängnis, in Finnland wäre alles verboten!«, rief Oksana. Es wunderte mich, dass sie sich nicht bei Arto Saarnio danach erkundigt hatte. Oder hatte Saarnio sie absichtlich im Ungewissen gelassen, um sie von sich abhängig zu machen?
    »Lescha hat gesagt, er bezahlt die Polizei dafür, dass sie uns nicht verhaftet. Deshalb mussten wir ihm fast alles Geld geben. Von hundert Euro durfte ich nur zehn behalten, aber dafür hat Lescha uns auch Essen gebracht. Mein ganzes Geld ist in der Wohnung geblieben, viele hundert Euro. Wie bekomme ich die zurück?«
    Ich dachte an die leer geräumte Wohnung im Zentrum von Espoo. Oksana würde ihr Geld nie wieder sehen. Man hatte sie mit haltlosen Versprechungen nach Finnland gelockt und ihre Hoffnung auf ein besseres Leben skrupellos ausgenutzt.
    »Oksana, was hat Lulu über die Fernsehsendung gesagt?«, fragte ich noch einmal.
    »Lulu hat gesagt, sie verkauft nur ihren Körper, aber nicht ihre Seele, sie lässt sich nicht ausnutzen für etwas, woran sie nicht glaubt. Und dann hat sie von einem Präsidenten

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