Wer sich nicht fügen will
Warum haben wir den Scheißkerl nicht schon gestern verhaftet?«
»Keine Beweise.« Im selben Moment piepte mein Handy. Obwohl ich damit gegen die Verkehrsordnung verstieß, las ich die SMS. Sie kam von dem Beamten, der die Durchsuchung der Mülleimer im Big Apple koordinierte. Die Einkaufstüte aus dem K-Market war tatsächlich im Mülleimer am Kino gefunden worden.
»Na also, vielleicht haben wir jetzt Indizien! Mal sehen, was die Plastiktüte uns erzählt. Ursula, wir tanzen hier ein Ballett, in dem wir uns keinen falschen Schritt erlauben dürfen. Länsimies und seine Anhänger haben sich offenbar für eine unerhörte Schmutzkampagne gerüstet, wobei einer ihrer Schlammbeutel die uralte Behauptung ist, die Präsidentin hätte eine Vorliebe für Frauen. Offenbar wollte Lulu sich dafür nicht einspannen lassen. Aber woher wusste Länsimies, dass sie sich querlegen wollte? Er muss das Zyanid schon vor der Sendung in ihrem Auto versteckt haben. Die Vorgespräche gaben ihm die Chance, sich schon vor der Talkshow mit Lulu zu treffen, sodass er in ihrem Wagen und in ihrer Garderobe getrost Fingerabdrücke und DNA-Spuren hinterlassen konnte. Die sind als Beweise untauglich, aber mit irgendetwas müssen wir den Kerl festnageln.«
»Selbst der Risikofreudigste überschätzt gelegentlich seine Fähigkeiten. Vielleicht hilft uns diese Pamela, Länsimies zu identifizieren. Es genügt doch, wenn wir dem lieben Ilari den Anschlag auf Sulonen nachweisen, zu dem er ohne den Mord an Lulu Nightingale keinen Grund gehabt hätte«, meinte Ursula beruhigend. Da sie meine Theorie über Länsimies und seine Hoffnungen auf die Präsidentschaft nicht als Hirngespinste abgetan hatte, glaubte auch ich immer fester daran.
»Ich fahr noch aufs Präsidium, unsere Hausbesichtigungen gehen erst um zwei los. Vorher will ich ein paar Dinge erledigen. Was meinst du, wie würde Ilari Länsimies reagieren, wenn er hört, dass Tero Sulonen wieder zu Bewusstsein kommt? Würde er versuchen, ihn endgültig zum Schweigen zu bringen?«
»Vielleicht.«
Zyanid wirkte schnell, aber müsste Länsimies nicht damit rechnen, dass Sulonen bewacht wurde? In den Zeitungen hatte davon allerdings nichts gestanden. Sollte der Bewacher sich verstecken, statt wie üblich auf dem Flur zu sitzen? Das wäre lächerlich und viel zu gefährlich. Zudem war es illegal, einem Verdächtigen Fallen zu stellen. Aber ein paar Fäden konnte ich immerhin ziehen. Und Arto Saarnio würde meine Marionette sein. Es wirkte ganz plausibel, dass er den Geschäftspartner seiner verstorbenen Frau anrief und nebenbei erwähnte, Sulonen werde bald aus dem Koma erwachen. Er konnte behaupten, die Polizei erhoffe sich von Sulonen eine Erklärung, weshalb Riitta Saarnio auf ihn geschossen hatte.
In Wahrheit glaubte ich, dass Länsimies Riitta Saarnio umgebracht und als Schuldige hingestellt hatte, weil Sulonen beim Versuch, Länsimies zu erreichen, Riitta angerufen hatte, die daraufhin Verdacht geschöpft und womöglich Länsimies sogar konfrontiert hatte. Für diesen Anruf hatten wir Beweise, für den Inhalt des Gesprächs allerdings nicht. Es mangelte Länsimies jedenfalls nicht an Kaltblütigkeit und Risikobereitschaft. Was hatte Arto Saarnio über die Psychopathen in der feinen Gesellschaft gesagt? Mitunter hatte ich darüber gelacht, dass man alle möglichen Delikte als psychopathologisch erklärte, auch wenn ich wusste, dass vor allem bei gewaltsamen Wiederholungstätern die Fähigkeit, sich in andere Menschen einzufühlen, oft völlig unterentwickelt war. Aber war Länsimies ein Psychopath? Darüber sollten sich andere den Kopf zerbrechen.
»Wie war das eigentlich gemeint, dass ich mir wegen Kaartamo keine Sorgen zu machen brauche?«, fragte ich Ursula kurz vor der Bushaltestelle, an der ich sie absetzen wollte.
»Na, wegen der Geschichte im Mikado. Er kann es sich nicht leisten, mich auffliegen zu lassen, andernfalls erhält Frau Kaartamo einen interessanten Anruf«, kicherte Ursula.
»Nun sag schon, was soll das heißen?«
»Kaartamo hätte Interesse an einem kleinen Seitensprung mit einer so intelligenten und attraktiven Frau.« Ursula betrachtete sich im Spiegel und stäubte noch eine Schicht Puder auf ihre makellose Haut. »Ich werde ihn noch eine Weile zappeln lassen, dann pfeife ich das Spiel ab. Ein absoluter Widerling, der Kerl. Wie kommt er auf die Idee, ich könnte mich für einen sechzigjährigen Opa wie ihn erwärmen?«, lachte sie.
»Es gibt genug Frauen, die Geld
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