Wer sich nicht fügen will
Wissens hat der Patient keine Angehörigen, und da er Opfer eines Verbrechens ist, haben wir die Polizei informiert«, sagte die Stationsschwester. »Es kommen ständig Anrufe von der Presse, vielleicht war auch der angebliche Vater ein Reporter.«
»Vielleicht. Aber bleiben Sie dabei, keine Auskunft zu geben. Das übernimmt die Polizei, wenn es so weit ist.«
Ich dachte an mein Versprechen, Arto Saarnio zu informieren, wenn Oksana gefunden wurde, entschied mich jedoch, damit zu warten, bis ich Oksana fragen konnte, was sie davon hielt. Ich hatte wohl unbewusst damit gerechnet, dass wir sie nicht lebend finden würden. Tote wurden nicht gefragt. Aber es war anders gekommen.
Der Wind beutelte Ursulas kleinen Renault, als wir die Umgehungsstraße erreichten.
»Hör mal, Ursula, es ist besser, wenn Kaartamo noch nichts von Oksana erfährt. Du verstehst schon.«
»Ich verstehe es nicht, aber meinetwegen. Oksana könnte unsere Kronzeugin sein. Lulu wusste ja, dass Arto Saarnio Oksanas Kunde war. Vielleicht war das die Sensation, die sie in der Livesendung verkünden wollte? Und wenn Riitta Saarnio davon erfahren hat … Vielleicht hat Lulu sogar Andeutungen gemacht. Sie hat es doch genossen, Macht zu haben, wahrscheinlich hat es ihr Spaß gemacht, Frau Saarnio zu peinigen, zumal die aus ihrer Abneigung gegen Lulu und ihresgleichen ja kein Hehl machte. Vielleicht ist Riitta Saarnio doch die Mörderin?«, sagte Ursula und fuhr auf die Autobahn.
Ich wollte meine Informationen nicht länger zurückhalten. Ursula hatte mir gelegentlich vorgeworfen, willkürlich und voreingenommen zu handeln, und ich musste zugeben, dass sie Recht hatte.
»Nein, Ursula, ich glaube, es geht um ein viel dickeres Ding. Länsimies ist größenwahnsinnig geworden, er will Präsident werden und hat hochrangige Anhänger um sich geschart. Ich weiß nicht, ob er verrückt ist, aber gefährlich ist er auf jeden Fall. Ich hoffe nur, dass wir bald konkrete Beweise gegen ihn finden, damit wir ihn einsperren können, bevor er wieder zuschlägt.«
NEUNZEHN
Am Sonntagmorgen wurde ich gegen neun von Kaffeeduft und Zeitungsrascheln geweckt. Antti sah die Wohnungsinserate durch und suchte die Objekte heraus, die er für besichtigenswert hielt. Als ich nach Hause gekommen war, hatte er fest geschlafen. Ich hatte es geschafft, zu ihm unter die Decke zu kriechen, ohne ihn zu wecken, obwohl ich mich nach seiner Umarmung sehnte. Gleich darauf hatte allerdings auch bei mir die Müdigkeit über das Bedürfnis nach Nähe gesiegt.
»Hier ist ein Doppelhaus in Tapiola Nord … Besichtigung um drei. Und dann gibt es noch ein Einfamilienhaus in Suna, mit guter Zugverbindung zum Zentrum von Espoo.«
Ich goss mir Kaffee ein und gab Antti einen Kuss auf den Nacken.
»Kann sein, dass ich heute Vormittag zu einer Befragung muss, wenn wir einen Russischdolmetscher bekommen. Aber am Nachmittag bin ich frei«, schwindelte ich, denn ich wusste genau, dass wir uns nach dem Terminplan des Dolmetschers richten mussten. Ursula hatte versprochen, sich um die Sache zu kümmern und mir Bescheid zu geben. Tatsächlich fand ich eine Nachricht von ihr vor, als ich mein Handy einschaltete.
»Dolmetscherin um 10.30 Uhr in der Klinik, kein anderer Termin frei. Hoffentlich bist du dann schon wach.«
Ich schickte ihr eine SMS und bestätigte den Termin, der mir persönlich gut passte. Die meisten Wohnungen waren erst nachmittags zu besichtigen, und es würde wohl genügen, wenn wir uns für den Anfang nur zwei oder drei Angebote ansahen. Wir hatten ja keine Eile und brauchten nicht das erstbeste Haus zu nehmen, zumal wir ja auch unsere jetzige Wohnung zunächst verkaufen mussten. Antti hatte vor, damit den Makler zu beauftragen, der sie uns damals vermittelt hatte.
Saari war am Morgen von Akkila abgelöst worden. Der las die »Welt der Technik« und berichtete, alles sei ruhig geblieben. Die stellvertretende Oberschwester hatte Dienst; sie erklärte, Oksana habe wirklich Glück gehabt. Sie sei sofort mit Antibiotika behandelt worden, denn die Wunden seien schwer entzündet und eiterten. An den Genitalien müsse sie wahrscheinlich operiert werden, denn dort seien die Schäden besonders groß. Länger als eine halbe Stunde dürften wir nicht mit ihr sprechen, sie brauche Ruhe.
»Was ich dir gestern schon sagen wollte: Wegen Kaartamo brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Den hab ich am Gängelband«, flüsterte Ursula, als wir zu Oksanas Zimmer gingen, vor dem bereits die
Weitere Kostenlose Bücher