Wer sich nicht fügen will
Türsteher in zwei anderen Lokalen und schließlich im Mikado. Er stammte aus Vantaa, wohin seine Eltern Anfang der siebziger Jahre aus dem ostfinnischen Städtchen Iisalmi gezogen waren. Seine Mutter kam aus einer Aussiedlerfamilie. Ursula hörte sich Sulonens Erklärungen über seine Herkunft belustigt an, während Puupponen mit seinem originellen Fünffingersystem die Hauptpunkte in den Computer eingab.
»Ich frage noch einmal, denn du scheinst mich immer noch nicht verstanden zu haben. Hattest du eine sexuelle Beziehung zu Lulu Nightingale?«
Sogar auf dem grobkörnigen, kontrastarmen Video war zu erkennen, dass Sulonen rot wurde.
»Nein«, sagte er.
»Hättest du Lust gehabt?«
Sulonen senkte den Kopf, presste die Lippen aufeinander und wischte sich wieder das Gesicht ab.
»Warum stellt ihr mir solche Fragen?«
»Hast du Lulu Nightingale begehrt?«
Nun mischten sich Tränen unter die Schweißtropfen auf seinem Gesicht.
»Ich habe ihr angeboten, sie zu heiraten und für sie zu sorgen, damit sie es nicht mehr nötig hätte … Aber sie hat nur gelacht und gesagt, sie mag ihre Arbeit – und ihre Freiheit.« Jetzt weinte Sulonen ungehemmt, er zitterte und schnaufte. Ich ließ das Band vorlaufen, denn eine Zeit lang sprach niemand.
Nachdem Sulonen sich beruhigt hatte, kam Ursula auf die Ereignisse am Abend von Lulus Tod zurück. Sulonen sagte aus, Lulu sei den ganzen Tag über blendend gelaunt gewesen. Sie hatte keine Kunden empfangen, sondern bis mittags geschlafen und war danach im Fitness-Center und zur Massage gewesen. Dann hatte sie angefangen, sich zu schminken.
»Lulu war so gründlich. Ich verstehe nicht, wie man drei Stunden brauchen kann, um sich zurechtzumachen, aber so lange hat es tatsächlich gedauert.«
»Frauen …«, seufzte Puupponen auf dem Band, was wohl ein Versuch sein sollte, in die Rolle des guten Polizisten zu schlüpfen, doch Ursulas Blick brachte ihn zum Schweigen. Sulonen schien ihn gar nicht gehört zu haben.
»Sie sang vor sich hin und sagte, das wird die Show ihres Lebens. Eine Sexbombe, die in einer Livesendung eine Nachrichtenbombe platzen lässt.«
Ich erstarrte, genau wie Ursula auf dem Video. Bloß keinen Patzer jetzt, rief ich ihr in Gedanken zu.
»Was mag sie damit gemeint haben?«, fragte Ursula ruhig, doch ich sah, dass ihre Finger nun noch hektischer auf die Tischplatte klopften.
Sulonen starrte lange vor sich hin, dann schüttelte er den Kopf. »Ich weiß es nicht. Sie hat mir nicht alles erzählt, und ich habe gelernt, nicht zu neugierig zu sein.«
Ursula versuchte, mehr aus ihm herauszuholen. Hatte Lulu vorgehabt, etwas Wichtiges über ihre Kunden zu enthüllen? Oder sich vor der Kamera auszuziehen? Sulonen wusste es nicht. Er beteuerte immer wieder, Lulu sei guter Laune gewesen und habe auf gar keinen Fall Selbstmord begangen.
»Lulu hat sich nicht … Sie liebte das Leben! Wenn ich rauskriege, wer ihr das angetan hat, mach ich mit dem Schwein genau dasselbe …« Wieder musste er sich die Tränen abwischen.
Puupponen wechselte das Thema und fragte nach Lulus Kunden. Sulonen behauptete, kaum etwas über sie zu wissen. Kein Freier sollte merken, dass außer ihm selbst und Lulu noch jemand in der Wohnung war. Sulonen saß in seinem Zimmer, sah sich mit aufgesetztem Kopfhörer Videos an und hoffte, dass Lulu nicht in Schwierigkeiten geriet.
»Die Freier haben mich nicht interessiert, ich hatte im Mikado genug von ihnen gesehen. Warum sollte ich mir die geilen Böcke angucken? Das wäre irgendwie pervers gewesen …«
»Was soll das heißen, nicht interessiert? War dir nicht klar, dass Informationen über die Kunden dir ein Vermögen einbringen konnten? Manch einer würde einen Haufen Geld bezahlen, um zu verhindern, dass seine Frau von seinem kleinen Abenteuer erfährt – oder sein Boss.« Ursula riss das Gespräch wieder an sich, und Puupponen machte den Mund zu, ohne die Frage zu stellen, zu der er gerade ansetzen wollte.
»Wozu hätte ich denn Geld gebraucht? Ich hatte einen Job und alles, was ich wollte.«
Ich dachte an das winzige Dienstbotenzimmer hinter dem Sexstudio. Vielleicht war es tatsächlich der Höhepunkt in Sulonens bisherigem Leben. Er meinte, Lulus Kundenkartei sei vermutlich auf ihrem Computer, er habe gelegentlich gesehen, wie sie daran arbeitete.
»Wieso brauchte Lulu eigentlich einen Leibwächter?«
»Manchmal haben Kunden Schwierigkeiten gemacht. Nicht oft, Lulu hat sich immer genau überlegt, wen sie empfing, sie hatte viele
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