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Wer sich nicht fügen will

Wer sich nicht fügen will

Titel: Wer sich nicht fügen will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Letholainen
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dabei den letzten Rest meiner Wimperntusche verschmierte. Es sah ja keiner. Dann ging ich in mein Dienstzimmer, um meine Sachen zu holen. Ich hatte die Tür offen gelassen, als ich in den Videoraum gegangen war, denn außer meinen Mitarbeitern und der Putzfrau hatte niemand Zutritt zu unserer Abteilung. Deshalb schrie ich auf, als aus der Dunkelheit plötzlich zwei Hände hervorschossen und sich auf meine Augen legten. Ich reagierte instinktiv, stieß dem Angreifer den Ellbogen gegen das Zwerchfell und machte mich darauf gefasst weiterzukämpfen. Doch der Gegner löste seinen Griff. Es war Puupponen.
    »Aua!«, stöhnte er. »Geschieht mir wahrscheinlich recht. Sorry, Chefin, ich konnte der Versuchung nicht widerstehen. Ich hab dich hoffentlich nicht erschreckt?«
    »Doch, hast du!« Ich versuchte, meinen Atem unter Kontrolle zu bringen, denn ich schämte mich für meine heftige Reaktion.
    »Was machst du denn noch hier?«
    »Ich surfe durch die Pornoseiten. Was soll ein Junggeselle am Freitagabend sonst tun?«, grinste Puupponen. »Im Ernst, ich hab im Internet nach Informationen über Lulu Nightingale und über diese Oksana gesucht. Heutzutage läuft das Sexbusiness doch hauptsächlich über Internet. Lulu hat sogar eine eigene Homepage, auf der man unter anderem erfährt, dass Austern ihre Leibspeise sind und dass sie am liebsten Cava und Fernet Branca trinkt.«
    »Aha! Also konnte sich jeder diese Information beschaffen.«
    »Genau. Außerdem habe ich die Telefonnummern von ein paar Russinnen gefunden, die Bekanntschaft suchen. Soll ich die anrufen und mich ein bisschen umhören? Der Sulonen hat doch die Mafia in Verdacht. Vielleicht wusste Lulu, wer Oksana umgebracht hat, und wollte es in der Sendung verraten?«
    Puupponen wirkte erschöpft, doch in seinen Augen brannte Jagdfieber. Er rieb sich den Bauch. »Das gibt sicher einen blauen Fleck, aber ich hab es nicht anders verdient. Rumzulaufen und Frauen zu erschrecken! Nochmals Entschuldigung.«
    »Gewährt. Ville, du arbeitest jetzt schon die zweite Nacht durch. Solltest du dich nicht ausruhen, damit du für die morgigen Vernehmungen fit bist? Ihr müsst zuerst mit Anna-Maija Mustajoki sprechen und dann mit allen Bekanntschaft suchenden Russinnen, die bereit sind zu reden.«
    Puupponen grinste. »Ursula macht das schon. Sie liebt es, das Sagen zu haben.«
    Ich lächelte zurück: »Vielleicht richtet dein Charme in diesem Fall mehr aus. Komm jetzt, ich fahr dich nach Hause.«
     
    Am Morgen kam ich kaum aus dem Bett, obwohl die Sonne schien und Hoffnung bestand, dass der Schnee allmählich schmelzen würde. Iida wollte zum Schlittschuhlaufen unbedingt ihr rosa Trikot anziehen, das natürlich gerade in der Wäsche war. Auch mit dem Haarknoten, den ich ihr in aller Eile aufsteckte, war sie nicht zufrieden.
    »Antti, gehst du heute in die Bibliothek?«
    »Ja, ich dachte, ich schau mal vorbei.«
    »Kannst du mal nachsehen, ob sie die Memoiren von Anna-Maija Mustajoki haben? Die sind letztes Frühjahr erschienen.«
    »Hat das mit deiner Arbeit zu tun?« Antti nahm Tanelis Schlittschuhe vom Haken und umwickelte die Kufen mit einem Stoffstreifen. Als er meine Bestätigung hörte, machte er ein Gesicht, aus dem ich nicht schlau wurde.
    »Zur Antikernkraftdemo werde ich also auch nicht gehen können«, stellte er fest, als er sah, dass ich meinen schwarzen Nadelstreifenanzug anhatte.
    »Wahrscheinlich nicht. Tut mir leid.« Ich steckte die Haare hoch und legte ein leichtes Make-up auf. Bei Pressekonferenzen war es nicht angebracht, die Aufmerksamkeit der Reporter auf das eigene Aussehen zu lenken. Unterwegs legte ich mir zurecht, was ich sagen wollte, und als ich im Präsidium ankam, war ich überraschend ruhig.
    Die Laborergebnisse zu dem Glas und zu der Fernet-Branca-Flasche waren gekommen. Die Zyanidmenge in der Flasche hätte genügt, um eine ganze Fußballmannschaft umzubringen. Auch der kleine Rest Fernet Branca im Glas enthielt Zyanid. Damit war der letzte Zweifel an der Todesursache ausgeschlossen.
    Etwa vierzig Reporter und Fotografen waren erschienen. Als ich vor sie trat, hörte ich, wie der Reporter des »Abendblatts« zu einem Kollegen sagte: »Hoffentlich ist das nicht wieder eine von den Veranstaltungen, auf denen nur mitgeteilt wird, dass es nichts mitzuteilen gibt.«
    Ich berichtete, dass die Todesursache definitiv feststand, aber aus ermittlungstechnischen Gründen noch nicht bekannt gegeben wurde, und dass es bisher keine Verhaftung gegeben hatte, die

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