Wer sich nicht fügen will
umgebracht? Verdammt nochmal!« Sulonen sprang auf, ging zur Tür und trat mit solcher Wucht dagegen, dass eine Delle entstand.
»Wo ist der Kerl? Ihr habt ihn doch hoffentlich eingesperrt? Scheiße, lasst mich fünf Minuten zu ihm in die Zelle …« Sulonen ballte die Fäuste und blies die Wangen auf wie ein Gewichtheber. Ursula stand ebenfalls auf, einen Augenblick lang wirkte sie unsicher.
»Ganz ruhig. Hytönen knöpfen wir uns auch noch vor. Aber zuerst will ich wissen, warum du gelogen hast. Komm, setz dich wieder hin!«
Sulonen atmete schwer, ließ sich jedoch von Ursula auf den Stuhl bugsieren. Vielleicht baute sie darauf, dass er Hemmungen hatte, eine Frau zu schlagen. Puupponen beobachtete die Situation sprungbereit. Ursula war groß und schlank, Puupponen für einen Polizisten klein und sehnig, aber Suhonen wog annähernd so viel wie die beiden zusammen. Zudem war ein Leibwächter in der Kunst der Selbstverteidigung womöglich noch gewiefter als ein Polizist.
»Wo soll ich gelogen haben?«, fragte Sulonen.
»Du hast behauptet, du hättest dich die ganze Zeit im Kontrollraum aufgehalten. Die Videoaufzeichnung zeigt dich aber mit einem leeren Glas in der Hand auf dem Flur zu den Garderoben. Wolltest du zu Lulu – oder vielleicht zu jemand anderem?«
Die Panik, die sich in Sulonens Gesicht ausbreitete, überraschte auch die Vernehmer. Wieder trat ihm Schweiß auf die Stirn. Er schwieg lange.
»Ich war nicht auf dem Garderobenflur«, stammelte er schließlich.
»Die Kamera lügt nicht. Puupponen, lass das Band laufen!«, kommandierte Ursula, den Blick unverwandt auf Sulonens Gesicht geheftet, als rechnete sie mit einem neuen Wutanfall. Meine Mitarbeiter hatten sich gut vorbereitet; das Video einzusetzen war eine glänzende Idee. Ich durfte nicht vergessen, sie dafür zu loben.
Sulonen seufzte, als er auf dem Video sah, wie er mit schnellen, wiegenden Schritten durch den Flur ging. Das Glas in seiner Hand kannte ich, es war das dickwandige, billige Wasserglas, das ich in Lulu Nightingales Garderobe gesehen hatte. Es war leer.
»Das bist du! Was meinst du, Puupponen, sollen wir den lieben Tero einsperren, damit er sich in Ruhe überlegen kann, ob er uns weiter anlügen will? Die Verdachtsmomente reichen für eine Verhaftung. Wer ruft die Kommissarin an, du oder ich?«
Sulonen schüttelte den Kopf, ganz offensichtlich suchte er nach einer Erklärung. Schließlich fand er sie.
»Lulu hat mich angerufen. Ihr könnt auf meinem Handy nachgucken, ich zeig’s euch.« Er tippte auf seinem Telefon herum, suchte die Anrufliste und zeigte sie Ursula.
»Lulu hat dich also gestern, am 10.3. um 20.58 Uhr angerufen.«
»Sie hat mich gebeten, ihr ein Glas zu bringen. Was für eins, frag ich, und sie sagt, egal, sie hat Durst und mag nicht aus der Flasche trinken, damit ihr Lippenstift nicht verschmiert. Ich hatte keine Ahnung, welche Flasche sie meinte. Auf dem Tisch im Kontrollraum stand ein Glas, ich wusste nicht, ob es sauber war, deshalb hab ich es unterwegs auf der Toilette ausgespült. Ehrlich, ich hab’s gespült! Kann da trotzdem was zurückgeblieben sein … irgendwas, woran Lulu gestorben ist?«
Statt einer Antwort fragte Ursula, was danach passiert sei. Ihr Mund war halb geöffnet, ihre Augen glänzten, als wäre sie verliebt. Sie erwartete ein Geständnis, und man sah ihr die Enttäuschung an, als Sulonen erwiderte:
»Ich hab bei Lulu angeklopft. Sie hat die Tür nur einen Spaltbreit aufgemacht, ich hab bloß ihren Arm gesehen, als sie das Glas nahm. Sie hat geflüstert, sie könne nicht rauskommen, niemand dürfe sie sehen, und ich soll dann sofort wieder verschwinden. Das hab ich dann auch getan … Und danach habe ich sie nicht mehr wiedergesehen.«
Sulonen brach in Tränen aus, er konnte nicht weitersprechen. Ich spulte das Band wieder ein Stück vor. Lulu hatte also eine Flasche bei sich gehabt! Ursula unterbrach die Vernehmung und verließ mit Puupponen den Raum, offenbar um das weitere Vorgehen zu besprechen. Danach ging alles sehr schnell. Puupponen erklärte, Sulonen könne gehen, und der Leibwächter verzog sich eilig wie ein Hund, der wegläuft, bevor er getreten wird. Ich spulte das Band an den Anfang zurück und schaltete das Gerät ab.
Es war schon fast elf, höchste Zeit, nach Hause zu fahren, denn morgen hatte ich wieder einen langen Tag vor mir. Antti schlief sicher schon. Ich ging auf die Toilette und hielt das Gesicht unter kaltes Wasser, ohne mich darum zu scheren, dass ich
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