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Wer sich nicht fügen will

Wer sich nicht fügen will

Titel: Wer sich nicht fügen will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Letholainen
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Länsimies ging von Tür zu Tür. Zu mir sagte er, diese Sendung würde die größte Show aller Zeiten, und ich sollte offen und provokativ reden. Irgendwer ging auf die Toilette. Nebenan hat jemand an die Tür geklopft und ist dann wieder gegangen.«
    Das musste Sulonen gewesen sein, als er Lulu ihr Glas brachte.
    »Ich habe lange darüber nachgedacht«, sagte sie plötzlich, »und ich bin mir nicht sicher, ob ich es mir nur einbilde oder ob ich wirklich gehört habe, wie Lulu gestürzt ist. Ich habe nämlich aus der Nachbargarderobe ein merkwürdiges Poltern gehört, aber nicht weiter darauf geachtet. Egoistisch wie ich bin, habe ich mich auf das konzentriert, was ich sagen wollte. Ich habe nur gedacht, wer weiß, wie sich die anderen auf ihren Auftritt vorbereiten, vielleicht macht nebenan jemand Liegestütze.«
    »Wann hast du dieses Geräusch gehört?« Bei der Vernehmung hatte sie nichts davon gesagt.
    »Kurz bevor Riitta Saarnio mich geholt hat, ungefähr um viertel nach neun. Jetzt bereue ich meine Gleichgültigkeit. Hätte man Lulu retten können, wenn ich Riitta von dem Geräusch erzählt und sie daraufhin nachgeschaut hätte? Sag mir ruhig die Wahrheit, ich kann sie ertragen: Bin ich mitschuldig an Lulus Tod?«

ZWÖLF
     
    Ich konnte Anna-Maija Mustajoki nur sagen, dass ich es nicht wusste. Zyanid war ein schnell wirkendes Gift. Schloss die Tatsache, dass der Tod höchstwahrscheinlich um 21.15 Uhr eingetreten war, einen der Verdächtigen aus? Nein.
    Ich ging zu Leena, wechselte einige Worte mit ihr und verabschiedete mich dann. Vor dem Haus stand Terhi Pihlaja und versuchte, die Taxizentrale zu erreichen.
    »Ich kann dich mitnehmen, wir haben ja den gleichen Weg«, schlug ich ihr vor.
    »Danke! In meinem Beruf ist es ohne eigenen Wagen manchmal schwierig. Meiner Meinung nach sollte man in der zweitgrößten Stadt Finnlands auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln überall hinkommen.«
    »Deine Predigt hat mir gefallen«, sagte ich, als sie neben mir auf dem Beifahrersitz saß.
    »Danke. Es war leicht und schwer zugleich. Leicht, weil ich Allu kannte und etwas Persönlicheres über sie sagen konnte. Und schwer aus demselben Grund. Während der Ausbildung haben meine Studienkollegen und ich gelegentlich darüber diskutiert, ob der Pfarrer bei einer Beerdigung weinen darf, obwohl es seine Aufgabe ist, die Trauernden zu trösten. Nach dem Tsunami haben allerdings auch die Bischöfe geweint. Ich hatte Angst, ich würde an Allus Sarg losheulen, aber zum Glück hat Gott mir die Kraft gegeben, mich zu beherrschen.«
    »Ihr seid so oft mit Kranken und Sterbenden konfrontiert. Sicher gibt es bei euch eine Art Supervision, ähnlich wie bei uns?«
    »Das ja. Obwohl bestimmte Kreise in der Kirche immer noch fordern, man solle einzig auf die Kraft vertrauen, die Gott einem gibt. Vielleicht ist das für manche genug, aber ich brauche auch menschlichen Beistand.«
    Da die Fenster beschlagen waren, hatte ich die Heizung voll aufgedreht. Terhi Pihlaja zog die Handschuhe aus und knöpfte den Mantel auf. Ich fragte mich, ob der weiße Pastorenkragen sie manchmal einschnürte oder ob er ihr half, ihrer Rolle gerecht zu werden, in ähnlicher Weise wie meine Polizeiuniform, die ich allerdings selten trug, hauptsächlich bei Vorträgen und offiziellen Anlässen.
    »Ich wollte dich übrigens schon längst anrufen. Inzwischen habe ich nämlich meine alten Tagebücher gelesen. Das war ganz schön hart. Man glaubt, man wäre erwachsen geworden und hätte etwas dazugelernt, dabei macht man dieselben Fehler und hängt denselben Illusionen nach wie als Teenager. Meine Aufzeichnungen aus den letzten Schuljahren sind ziemlich genau. Offenbar habe ich lieber meine Gedanken zu Papier gebracht, als im Unterricht aufzupassen.«
    »Ich habe mir damals Bassläufe zu den erbärmlichen Songs meines Klassenkameraden Jaska ausgedacht oder von Jungs geträumt, wenn ich keine Lust hatte, den Lehrern zuzuhören.«
    »Von Jungen habe ich auch geträumt, aber damals blieb es noch bei den Träumen. Lilli hat es gewagt zu handeln. Sie stand in dem Ruf, sie wäre leicht zu haben, andererseits hieß es aber auch, sie könnte jeden kriegen, den sie wollte. In der Abiturklasse hatte sie sogar einen Freund aus Helsinki, einen Studenten von der Handelshochschule, der sie mit dem Auto von der Schule abholte. Und zwar nicht mit irgendeinem Auto, sondern mit einem BMW. Ich habe Lilli beneidet, um die Leichtigkeit im Umgang mit Jungen und auch um ihr Aussehen, auch

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