Wer sich nicht fügen will
danach schlängelte sich die Straße nach Vesanto durch eine menschenleere Gegend mit endlosen Wäldern. Nur vereinzelt sah man Häuser. Wer so naturnah leben wollte, musste weite Entfernungen in Kauf nehmen. Puupponen erzählte von den Angelausflügen, die er hier als Kind mit seinem Onkel unternommen hatte. Ich lehnte mich zurück und genoss das Schneeflimmern an den bereiften Bäumen. Obwohl wir auf der Nationalstraße fuhren, war der Schnee am Straßenrand sauber und lag dreimal so hoch wie in Espoo.
Puupponen hatte sich eine Straßenkarte besorgt und behauptete, es sei leicht, Hytönens Betrieb in Vesanto zu finden. Wir fuhren einen langen, steilen Hügel hinunter zum Kirchdorf, dann an einem schmalen See vorbei. Hinter der Kirche führte die Straße links am See entlang. Auf der rechten Seite passierten wir ein dreistöckiges ehemaliges Schulhaus, das freundlich und zugleich traurig wirkte. Nach einem halben Kilometer erblickten wir eine relativ neue Gewerbehalle mit der Aufschrift »Klempnerei Hytönen«. Ich erinnerte mich, den Kleintransporter, der vor dem Gebäude geparkt war, am vergangenen Freitag vor dem Eingang zum Studio der West Man Productions gesehen zu haben. Da ich damals bereits wusste, dass Mauri Hytönen einer der Studiogäste war, hatte ich nicht weiter darauf geachtet.
Als wir ausstiegen, trat Hytönen aus der Tür, um uns zu begrüßen. »Besuch aus Espoo, welche Ehre«, sagte er großspurig und hielt mir die Hand hin. Er trug Pullover und Jeans, dem Aussehen nach bequeme und preiswerte Produkte aus dem örtlichen Einkaufszentrum. Hytönen war ein Unternehmer, der ganz offensichtlich wusste, wofür es sich lohnte, Geld auszugeben, und wofür nicht. Lag seine Welt der von Arto Saarnio letztlich gar nicht so nah? Auch die Kleinunternehmer litten unter den Sanierungsmaßnahmen von Leuten wie Saarnio, weil sie Zulieferungsaufträge verloren.
»Tretet näher, wir gehen in mein Büro. Ein Tässchen Kaffee wird euch sicher schmecken. Minttu, vorläufig bitte keine Gespräche durchstellen, sag einfach, ich wäre in einer wichtigen Besprechung«, rief er einer jungen Frau zu, die hinter einer Plexiglaswand im Eingangsbereich saß und die Anweisung mit einem Nicken bestätigte.
»Ein fixes Mädchen, unsere Minttu. Sie hat in Kuopio die Fachhochschule besucht, wollte danach aber zurück in die Heimat. Ihr Freund arbeitet auch bei mir. Es ist wichtig, junge Leute aus dem Ort zu beschäftigen, damit unser Landstrich nicht völlig vergreist.« Hytönen öffnete die Tür zu seinem Büro. Die Kanne in der Kaffeemaschine war bis oben gefüllt, auf dem Tisch standen drei Tassen mit Rosenmuster, ein Sahnekännchen, eine Zuckerdose, ein Teller mit aufgeschnittenem Hefezopf und zum Glück auch eine Platte mit Butterbroten. Nach dem Rüttelflug, den ich hinter mir hatte, lief mir schon beim Gedanken an Roggenbrot und Mettwurst das Wasser im Mund zusammen.
Hytönen bat uns, Platz zu nehmen. Während er den Kaffee einschenkte, sah ich mich um. Einem Diplom an der Wand war zu entnehmen, dass Hytönen 2001 zum örtlichen Unternehmer des Jahres gewählt worden war. Der Wandkalender zeigte Fotos von Rallyeautos. Hytönen hegte offenbar wenig Vertrauen in elektronische Verzeichnisse, denn über dem Telefon hing ein Blatt Papier mit rund vierzig Telefonnummern. Die Aktenordner waren mit Kundennamen beschriftet und alphabetisch geordnet. Im Raum roch es außer nach Kaffee auch nach Öl, Zigaretten und einem Rasierwasser, dessen Note ich nicht recht definieren konnte.
»Da hat sich Mutter Hytönens Sohn also so schwer verdächtig gemacht, dass sich die Polizei mit dem Flugzeug zu ihm bemüht. Auweia. Und gleich so offiziell«, scherzte Hytönen bemüht, als Puupponen Recorder und Laptop aufbaute. »Als ich die Einladung zu der Talkshow angenommen habe, dachte ich mir zwar, dass ich danach ein paar Tage lang berühmt bin, aber so extrem hatte ich es mir nicht vorgestellt. Sicher werde ich demnächst noch gebeten, bei der Präsidentschaftswahl zu kandidieren, weil ich so ein mutiger Mann bin und offen sage, was Sache ist.«
»Ein Interview mit Ihnen habe ich schon gelesen. Haben Sie noch mehr gegeben?«, fragte ich und gab zwei Stück Zucker in meinen Kaffee.
»Ich könnte den ganzen Tag am Telefon sitzen und Interviews geben, wenn ich nicht noch was anderes zu tun hätte! In einer Pornozeitung soll ich Tipps geben, wo man in Tallinn die besten Mädchen findet. Und nach der Sendung haben die Frauen meiner
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