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Wer sich nicht fügen will

Wer sich nicht fügen will

Titel: Wer sich nicht fügen will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Letholainen
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ihren Beruf nicht freiwillig gewählt haben. Zum Glück gibt es Dinge, die man nicht kaufen kann – Gnade zum Beispiel. Ich war eine Zeit lang Gefängnispastorin in der Jugendstrafanstalt in Kerava. Dort gab es viele, denen dieser Begriff völlig fremd war. Sie waren sehr überrascht, als ich sagte, dass auch einem Mörder Gnade zusteht.«
    Ich kannte einige Gewaltverbrecher, die der Ansicht waren, ihre Tat könne nur durch den Tod gesühnt werden. Der Meinung war ich nicht, ich lehnte die Todesstrafe kategorisch ab. Womöglich war meine Auffassung gar nicht so weit von Terhi Pihlajas Begriff der Gnade entfernt.
    Ich setzte Terhi ein paar Straßen vor unserem Block ab. Ich nahm mir vor, mich nach Abschluss der Ermittlungen noch einmal mit ihr zu unterhalten, falls ich es dann noch wollte – oder wagte.
    Der Geruch nach Eierkuchen zog bis ins Treppenhaus. Die Kinder waren ganz verrückt nach den Eierkuchen meiner Schwiegermutter. Iida beklagte sich manchmal, weil ich so selten Zeit hatte, Kuchen oder Crêpes zu backen. Ich hatte versucht, Iida das Backen beizubringen, was allerdings viel Geduld verlangte. Meine Mutter hatte uns Mädchen meist aus der Küche gescheucht, weil wir mehr Arbeit machten, als ihr zu helfen. Ich bemühte mich, das nicht zu vergessen und anders zu handeln.
    Taneli spielte im Wohnzimmer mit Lego, er war schon satt. Iida saß noch in der Küche am Esstisch, während meine Schwiegermutter den Geschirrspüler füllte. Ich schnappte mir den letzten Eierkuchen, bestrich ihn mit Erdbeermarmelade und verspeiste ihn genüsslich. Solche einfachen Delikatessen mochte ich am liebsten.
    »War es eine schöne Beerdigung?«, wollte meine Schwiegermutter wissen.
    »Ja. Prima, dass du morgen auch kommen kannst. Ich muss nämlich dienstlich nach Savo.«
    Sie trocknete sich die Hände und band die Schürze ab. Wenn sie zu uns kam, brachte sie immer ihre eigene Schürze und ihre Hausschuhe mit. Während der Krankheit ihres Mannes hatte sie stark abgenommen, und nach seinem Tod war sie völlig ergraut.
    »Antti war heute bei mir. Er hat sich noch nicht entschieden, ob er das Geld annehmen will, sagt er. Weil er es nicht selbst verdient hat. Ich habe ihn gefragt, ob ich es etwa für herrenlose Hunde spenden soll. Nach meinem Tod bekommt ihr es ja sowieso. Ist zwischen euch auch bestimmt alles in Ordnung?«
    Ich beteuerte, alles sei bestens. Meine Schwiegermutter war die Letzte, der ich meinen Verdacht anvertraut hätte.
    Nachdem die Kinder eingeschlafen waren, rief ich Antti an. Er machte gerade einen Spaziergang, im Hintergrund hörte man Verkehrslärm und Stimmengewirr. Das Gespräch war kurz, denn eigentlich hatten wir uns nichts zu sagen. Ich fragte ihn nicht, ob er allein war. Ich wollte es lieber nicht wissen.
     
    Am nächsten Morgen hätten wir beinahe die Maschine nach Kuopio verpasst, denn in der Nacht hatte heftiges Schneetreiben eingesetzt, das ein Verkehrschaos ausgelöst hatte. Zum Glück hatte unser Flugzeug aus dem gleichen Grund so viel Verspätung, dass wir es gerade noch schafften. Anfangs gab es einige Turbulenzen, doch weiter nördlich klarte es auf, sodass ich die Landschaft betrachten konnte. Wir flogen parallel zur Nationalstraße 5, ich erkannte die Stadt Mikkeli und sogar das Hotel Juva. Mir wurde warm ums Herz: Im letzten Sommer hatten Antti und ich uns beim Rockfestival Puustock, das hinter dem Hotel stattfand, irrsinnig amüsiert. Wir hatten Iida und Taneli bei meinen Eltern gelassen und Pogo getanzt wie die Teens. Vielleicht sollten wir wieder einmal gemeinsam zu einem Rockkonzert gehen.
    Ich gab meinen Muffin an Puupponen weiter, denn süßes Gebäck brachte ich im Flugzeug nicht herunter. Zum Glück wurde mir wenigstens nicht übel wie sonst manchmal, wenn ich am frühen Morgen fliegen musste. Der Flughafen von Kuopio lag an einem See, der immer noch fest zugefroren war. Ich zählte acht Eislochfischer. Puupponen war eingedöst, ich stieß ihn in die Seite, als die Maschine landete.
    »Aufwachen, Ville, wir sind da.«
    Am Flughafen stand ein Mietwagen für uns bereit. Puupponen, der sich in dieser Gegend auskannte, übernahm das Steuer. Falls die Zeit reichte, wollten wir vor dem Rückflug bei seinen Eltern in Kuopio vorbeischauen. An der ersten Kreuzung hinter dem Flughafen bog Puupponen nach rechts ab. In der Gegenrichtung führte die Straße in meine Heimatstadt Arpikylä, die leider nicht an unserem Weg lag.
    Der Aussichtsturm Puijo zeichnete sich hell vor dem blauen Himmel ab,

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