Wer sich nicht fügen will
rangiert ja wohl vor allem anderen!«
»Ganz so einfach liegen die Dinge nicht, werte Kallio«, erwiderte Kaartamo an Nordströms Stelle. »Ich habe den Innenminister schon in Kenntnis gesetzt. Das Wichtigste ist: Ruhe bewahren und keine Unschuldigen in die Sache hineinziehen. Die Mafia will mit spektakulären Taten Aufsehen erregen, wahrscheinlich um andere unabhängige Prostituierte einzuschüchtern. Mischin steht kurz davor, das gesamte Sexgeschäft in der Hauptstadtregion an sich zu reißen, und das müssen wir verhindern. Da willst du doch nicht abseits stehen?«
Kaartamo redete wie George W. Bush, als er vor dem Bombenangriff auf den Irak versuchte, den Rest der westlichen Welt auf seine Seite zu ziehen. Er überzeugte mich ebenso wenig wie George Doppelidiot. Nordström stand auf und kam auf mich zu, ich wich zurück.
»Ich tue meine Arbeit, und zwar so gut ich nur kann. Ich bin eine Mannschaftsspielerin, aber auf die Auswechselbank lass ich mich verdammt nochmal nicht abschieben! Und deine Rolle in dieser Geschichte gefällt mir ganz und gar nicht, Nordström.«
»Du erinnerst dich vielleicht, Kallio, dass deine eigene Position prekär ist, weil deine Untergebenen die Regeln der Polizeiarbeit immer noch nicht ganz verinnerlicht haben«, fuhr Kaartamo mich an, und Nordström horchte auf. Ich hätte Kaartamo am liebsten vors Schienbein getreten. Nordström legte mir eine Hand auf die Schulter.
»Maria, Kaartamo hat Recht. Hinter dieser Geschichte steht die Mafia, damit ist die örtliche Polizei überfordert. Wenn wir uns gegenseitig informieren, können wir etwas bewirken.« Er betonte das Wort »wir«, als wolle er Kaartamo ausschließen. Mir war immer noch nicht klar, wessen Spiel er eigentlich spielte.
»Du kannst jetzt gehen«, sagte Kaartamo wie ein Rektor, der einen ungezogenen Schüler entlässt. Ich gehorchte nur zu gern. Draußen trat ich ein paarmal mit voller Wucht gegen die Aufzugtür, obwohl ich mir damit nur selbst wehtat. Trotzdem brachten mir die Tritte Erleichterung. Während ich die Treppe hinunterging, wünschte ich mir, ich hätte den Walkman dabei. Eine Portion Luonteri Surf hätte meine Stimmung merklich aufgehellt, doch auf die Musikdroge musste ich warten, bis ich nach Hause fuhr. Ich rief rasch meine Schwiegermutter an und gab den Kindern per Telefon einen Gutenachtkuss. Eine Handy-Mutter zu sein behagte mir allerdings gar nicht.
Im Konferenzraum ging es lebhaft zu. Mira Saastamoinen war dabei, Puupponen irgendetwas zu erklären, Liisa Rasilainen grüßte mich hastig und lief zurück ins Erdgeschoss. Ich goss mir die dreizehnte Tasse Kaffee ein und ließ mich auf einen Stuhl fallen. Allmählich kündigten sich Kopfschmerzen an.
»Sulonens Telefondaten sind da«, rief Puustjärvi beim Eintreten. »Er hat heute Morgen um neun einen Anruf aus der Telefonzelle im Bahnhofsuntergeschoss bekommen. Er selbst hat nach seiner Freilassung unter anderem Mauri Hytönen, Riitta Saarnio und drei Kunden von Lulu angerufen – und heute um drei die Nummer der Telefonzelle im Bahnhofsuntergeschoss.«
»Also eine Stunde vor dem Anschlag! Da soll gleich mal jemand die Wachleute vom Bahnhof und das Personal am Fahrkartenschalter fragen, ob ihnen etwas aufgefallen ist. Aber was? Wen suchen wir?«
»Jemanden, der ein legales, überprüfbares Handy besitzt«, sagte Puustjärvi. Eine kluge Schlussfolgerung. »Der Typ wollte verhindern, dass seine Telefonate zu ihm zurückverfolgt werden können, darum hat er eine Telefonzelle benutzt.«
»Das deutet aber nicht auf einen Profi hin«, bemerkte Autio, »die wechseln doch laufend ihre Handys und Sim-Karten. Sollten wir die Fingerabdrücke an dem Telefon im Tunnel sicherstellen? Könnte ja sein, dass sich etwas findet, auch wenn inzwischen schon viel Zeit vergangen ist …«
Ich verstand, was er meinte. Wir mussten uns an jeden Strohhalm klammern, jede Chance nutzen. Kriminaltechnische Untersuchungen waren gründlich und langweilig, wie Wasser, das unaufhörlich an einem Stein schleift. Das Loch, das es schließlich in den Stein bohrte, wuchs langsam, ohne jede Dramatik.
»Unser Freund Hytönen hat Sulonens Anruf gar nicht erwähnt«, sagte ich. »Wann hat Sulonen mit ihm telefoniert?«
»Um viertel nach zwei.«
»Also gleich nach unserer Abfahrt! Und mit Frau Saarnio?«
»Kurz vor drei.«
»Stell fest, was er von den beiden wollte.« Ich massierte mir die Schläfen, doch das half nicht. Der bohrende Schmerz würde bald voll zuschlagen, wenn ich
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