Wer sich nicht wehrt...
gestreifte Katze gegen ihn und trotzte ebenfalls allen Schlägen. Beide duckten sich nur, zogen die Köpfe zwischen die Vorderpfoten und regten sich nicht.
»Was sind denn das für Typen?!«
»Ich hab' sie zusammen gefangen. Spielten im Schnee.« Josef Wulpert stieß dem Hund brutal den Stock in die Flanke. Der Hund jaulte kurz auf.
»Los, komm raus, du Aas …!«
»Was sollen wir denn mit dem? Ist höchstens für die Chemie geeignet. Bring ihn in Abteilung 6.«
In Abteilung 6 waren die Tiere, die man meistens an die Forschungslabore der Kosmetikindustrie verkaufte. Die Mediziner verlangten gesunde, kräftige Hunde. Den kosmetischen Chemikern dagegen war es gleichgültig, an welchem ›Material‹ man die Giftigkeit und Verträglichkeit von Nagellack, Lidschatten, Körperspray oder Busenvergrößerungscreme testete. »Wir brauchen lebende Organismen als biologische Meßinstrumente«, lautete einer der Kernsätze aus diesen Experimentalstätten. »Wir müssen uns doch über die akute und subakute Toxizität der Präparate informieren – zum Wohle des Menschen. Stellen Sie sich vor, was ein nicht an Tausenden von Versuchstieren getesteter Körperspray beim Menschen für Unheil anrichten kann!«
Wulpert war das gleichgültig. Er lieferte Ware, lebende Ware, und erzielte damit gute Preise. Nur das zählte. Wenn jemand in seiner Gegenwart es wagte zu sagen: »Die armen Tiere«, tippte er sich an die Stirn und bellte zurück:
»Wenn ich das höre! Arme Tiere. Da wimmelt's von Fabriken, die Waffen und Munition herstellen, damit sich die Menschen gegenseitig totschießen können … ich helfe mit, daß die Menschen länger leben! Von den Rüstungsfabriken spricht keiner, aber bei mir wollen sie Moral predigen. Diese Heuchelei ist ja zum Kotzen!«
Die Glocke. Wulpert hatte angeordnet, daß die zwei kleinen Hündinnen sofort in die Glocke kamen. Auch sie war eine Erfindung von Wulpert. In Halle II, die im Gegensatz zu Halle I peinlich sauber war, befand sich die eigene Zuchtstation. Die medizinischen Forschungsinstitute bevorzugten Tiergruppen, die unter einheitlichen Bedingungen aufgewachsen waren, oder, wie es die Mediziner nannten, ›einheitliche Tiermodelle, die sich in ihrer genetischen Ausstattung weitgehend gleichen‹.
Das hatte Willi Wulpert schnell begriffen und sich neben dem Handel auf die Aufzucht von Versuchstieren verlegt. In Halle II reihte sich Käfig an Käfig mit Muttertieren, sorgsam betreut, völlig steril gehalten, bis nach der Berechnung die Geburt kurz bevorstand. Dann wurden die Jungen durch Kaiserschnitt geholt und die Muttertiere getötet … in der Glocke, einem Glaskasten, in den man Giftgas blies. Ein schneller Tod. Wulpert war stolz, auf diesen Gedanken gekommen zu sein.
Aber das war noch nicht alles an Wulpertschen Aktivitäten. In Halle II b züchtete er ›Speziale‹: zuckerkranke Tiere, fettleibige Hunde und Katzen, Nacktmäuse für dermatologische Experimente und, aus Amerika eingeführt, Nagetiere ohne Thymusdrüse. Sie waren besonders begehrt – eingepflanzte Krebszellen wucherten auf ihnen erstaunlich schnell und üppig. Überhaupt waren voroperierte Tiere besonders gefragt. Die Institute sparten damit viel Zeit an Vorbereitungen und konnten sofort in die Versuchsreihen einsteigen. Nur einmal in all den Jahren hatte sogar Willi Wulpert einen leichten Schock verspürt. Eine amerikanische Firma, die jährlich über 20 Millionen Versuchstiere verkaufte, lieferte ihm zwanzig blinde Tiere. Man hatte ihnen die Augäpfel herausoperiert.
»Es bleibt uns nur noch die alte Masche«, sagte Wulpert an diesem Abend beim Essen und erfrischte sich mit einem Glas Pils. »Ich habe überall herumtelefoniert. Wie verhext ist es. Keiner kann vor einer Woche große Hunde liefern. Dobermänner, Schäferhunde, Boxer, Rottweiler … Fehlanzeige. Aber am Samstag muß die Lieferung stattfinden. Wenn wir absagen, sind wir den Kunden los!«
Er zog ein Blatt an sich heran, drehte seinen Kugelschreiber heraus und dachte kurz nach. »So machen wir es … ganz neuer Text, der ans Gemüt geht. Hört mal zu: ›Suche großen Hund. Versprochen wird liebevolle Pflege. Ein großer Garten für den Auslauf ist vorhanden. Welcher Tierfreund hilft einem anderen Tierfreund?‹ Na, ist das gut?« Wulpert lehnte sich zurück, schlürfte einen Schluck Bier und erwartete Zustimmung.
Aber nur Emmi nickte beifällig. Sohn Josef verzog das Gesicht.
»Das ist doch kein Geschäft, Vater. Du zahlst für so einen Hund
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