Wer sich nicht wehrt...
Josef Wulpert reden konnte, ganz unbefangen und glaubwürdig. Tenndorf nickte, als verstünde er ihn.
»Ganz klar. Aber eine Bitte haben wir noch … meine Kinder, meine Frau und ich. Davon machen wir überhaupt den Verkauf abhängig. Wir möchten sehen, wohin Bravo kommt. Wir möchten ihn bis vor die Tür seiner neuen Heimat begleiten … mehr nicht.«
»Davon haben Sie vorhin nichts gesagt!«
»Dafür sage ich es Ihnen jetzt.« Tenndorf griff in seine Jackentasche. »Sie können Ihr Geld sofort wiederhaben, Herr …«
»Bärtke. Jakob Bärtke.«
»Herr Bärtke … Wie ist Ihre Entscheidung?«
Und nun beging Josef Wulpert einen Fehler. Er nickte nach kurzer Überlegung. »Von mir aus«, sagte er großzügig. »Sie bringen Bravo bis vors Haus … aber dann ist das der letzte Kontakt zwischen Ihrer Familie und dem Hund. Wir mögen keine Heimwehkonflikte, das verstehen Sie doch? Bravo soll sich ganz an uns gewöhnen.«
Wenig später verließen sie das Haus. Während sie in ihre Wagen stiegen, Bärtke-Wulpert bereits mit Bravo in sein Auto, warf Tenndorf einen Blick hinüber zur anderen Straßenseite. Dort wartete Förster Lutz und hob leicht die Hand. Alles in Ordnung – ich hänge mich an.
Sie fuhren aus Hannover hinaus in Richtung Langenhagen, bogen dort auf die Autobahn ab, fuhren nach Norden und verließen sie wieder bei der Abfahrt Mellendorf.
»Ich habe das Gefühl«, sagte Tenndorf, der Bärtke in kurzer Entfernung folgte, »er fährt tatsächlich nach Otternbruch.«
»So dumm wird er doch nicht sein.« Carola schüttelte den Kopf.
»Er weiß ja nicht, wer wir sind. Warum sollte er nicht?«
Aber Tenndorf täuschte sich. Vielmehr, Wulpert versuchte, Tenndorf zu täuschen. Hinter Meilendorf fuhr er nicht in Richtung Otternhagener Moor, sondern blieb auf der Straße und hielt in dem kleinen Ort Negenborn. Hier stieg er aus, ging ins Postamt, und es war klar, daß er von dort aus telefonierte.
Lutz, der ihnen in einem unverdächtigen Abstand gefolgt war, bremste vor einer Bäckerei und kaufte sich drei Brötchen, belegt mit Mettwurst. Dabei winkte er Tenndorf kurz zu. In Bärtke-Wulperts Auto sprang Bravo gegen die Scheiben. Er hatte Lutz durch das Rückfenster erkannt und jaulte nun, obwohl er dazu erzogen war, Aufträge perfekt auszuführen. Aber wie kann man einer Hundeseele erklären, daß Trennung – wenn auch nur auf kurze Zeit – ein Auftrag ist?!
Es dauerte nicht lange, da kam Wulpert aus dem Postamt wieder heraus und stieg in seinen Wagen. Bravo knurrte ihn an. Aber Wulpert winkte nur ab, sagte leise: »Spiel nicht den Wilden, mein Junge, in ein paar Tagen sagst du nichts mehr, wenn du erst im Labor bist …« und fuhr weiter. Tenndorf folgte ihm, ebenso, in weitem Abstand, Förster Lutz.
Der Weg führte nun nach Metel und von dort wieder südwärts nach Scharrel. Sie waren also wieder in der Nähe des Otternhagener Moors.
»Was sag' ich denn?« rief Tenndorf fröhlich. »Nur ein kleiner Umweg. Gleich kommt Otternhagen, dann ein weiter Bogen, und wir sind in Otternbruch. Das hätte er einfacher haben können.«
Tenndorf irrte. Wulpert fuhr durch Otternhagen hindurch, blieb auf der Chaussee und hielt erst in dem kleinen Flecken Meklenhorst, etwas außerhalb an einem schmucken Bauernhof.
Erstaunt sah Tenndorf seine Kinder und Carola an. »Was ist denn das? Hier? Das kann doch nur ein Trick sein!«
Bärtke-Wulpert stieg aus, nahm Bravo an die Leine und wartete, bis Tenndorf, Carola und die Kinder ausgestiegen waren. Weit entfernt war Lutz stehengeblieben und beobachtete die Szene durch sein starkes Fernglas.
»Da wären wir!« sagte Josef Wulpert. »Sehen Sie sich um … dort der große eingezäunte Garten, rundum die Felder, da hinten das Wäldchen gehört auch zum Hof. Was wollen Sie mehr? Kann Bravo sich hier wohl fühlen oder nicht?«
»Ein Paradies für ihn gegenüber einer Etagenwohnung …« Tenndorf nickte auch zufrieden. »Ich wünsche Ihnen viel Freude mit dem Hund.«
Aus dem Haus kam jetzt eine ältere, sympathisch wirkende Frau, umarmte Bärtke-Wulpert und nickte freundlich dem Hund zu. Tenndorf, ein wenig irritiert, begrüßte die Frau, stellte Carola als seine Frau und die Kinder vor und streichelte dann Bravo.
»Mach's gut, mein Junge«, sagte er mit schwerer Stimme. »Hier hast du es besser als in dem kleinen Fleck Grün hinter unserem Haus. Hier kannst du toben, Hasen und Füchse jagen …«
»Wir haben hier sogar Wildschweine!« sagte die Bäuerin. »Gute
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