Wer sich nicht wehrt...
Fahrt.«
Das war höflich und doch deutlich. Haut ab, hieß das übersetzt. Fahrt los … Besichtigung beendet. Mehr ist nicht zu sehen und zu hören.
Tenndorf verstand. Er verabschiedete sich, stieg mit seiner ›Familie‹ in den Wagen und fuhr los. Im Rückspiegel sah er noch, wie Josef Wulpert den sich etwas sperrenden Bravo ins Haus zerrte.
»Und er war es doch, Papa!« sagte Wiga, als sie vom Bauernhaus etwas entfernt waren.
»Ja, das war der Fahrer von dem weißen Kastenwagen!« rief Mike. »Der Sohn von dem Boß! Ich erkenne ihn ganz klar wieder.«
»Daran zweifele ich nicht. Und das hier ist eine falsch gelegte Spur. Ich wette: Noch heute, spätestens morgen ist Bravo in Otternbruch bei den Wulperts. Der Hof hier muß Verwandten gehören, oder Bekannten oder gar Komplizen. Hat sich jemand die Hausnummer gemerkt?«
»Haus Nummer 167«, sagte Carola. Sie saß jetzt statt Mike neben Tenndorf und machte in ihr Taschenbuch eine Eintragung: Meklenhorst Nr. 167. »Du hast übrigens zweimal ›meine Frau‹ gesagt.«
»Mir fiel so schnell nichts Besseres ein. War's sehr unangenehm?«
»Nein … nur ungewohnt …«
Auf den Rücksitzen stießen sich Mike und Wiga an und blinzelten einander zu. Wie umständlich doch die Erwachsenen sind, und sie lügen auch noch. Wenn wir mal lügen, so 'n klein bißchen nur, bekommen wir eins hinter die Ohren. Aber die Großen, die dürfen … ist das gerecht?
»Du solltest dich daran gewöhnen, Carola.«
»Du liebe Güte – ist das ein Heiratsantrag? Hier im Auto, in der Situation? Das kann doch nicht sein …«
»Bei mir ist manches anders, weil auch ich ein ungewöhnlicher Mensch bin …«
»Überheblich bist du gar nicht, was?«
»Das fehlt mir ganz und gar. Ich sehe nur Realitäten. Also: Überleg dir, ob du dich an das ›meine Frau‹ gewöhnen kannst …«
»Ich werde es mir gründlich überlegen.«
Auf der Chaussee nach Otternhagen trafen sie auf Eberhard Lutz. Er war zurückgefahren und wartete an einer Ausbuchtung der Straße auf sie. Er rauchte einen Zigarillo und schien sehr zufrieden zu sein. Tenndorf stellte sich neben ihn. Es war ein sonniger, aber sehr kalter Tag, ihr Atem verwandelte sich sofort in dichte Wolken. Der Schnee knirschte unter ihren Sohlen.
»Was halten Sie davon?« fragte Tenndorf. »Der angebliche Bärtke ist in Wahrheit der Sohn des Tierhändlers Wulpert aus Otternbruch, der Kerl, der mit einem präparierten Kleinlaster Tiere in und um Hannover herum einfängt. Nur nachweisen kann man ihm noch nichts. Kinderaussagen werden von der Kripo sehr vorsichtig behandelt. Eine Schnellrazzia hat nichts ergeben. Ich bin ein bißchen in Sorge, Herr Lutz.«
»Warum?«
»Wie wollen Sie Ihren Bravo wiederbekommen?«
»Er reagiert fabelhaft auf Pfiffe.«
»Heißt das, Sie wollen hier bleiben und Bravo pfeifen, wenn er aus dem Haus kommt?«
»So ist es. Daß er nicht in dieses Bauernhaus kommen sollte, war mir von Beginn an klar. Er muß also umgeladen und woanders hingebracht werden. Und dabei wird mein guter Hund einfach flüchten. Er ist blitzschnell, hochintelligent und hat ein Gebiß, mit dem er sich auch gegen diesen jungen Mann durchsetzen kann, wie immer er auch heißen mag. Ihnen ging es ja um eine heiße Spur … haben Sie sie jetzt?«
»Ja und nein.« Tenndorf hob die Schultern. »Wir haben Josef Wulpert wiedererkannt, doch die Adresse stimmt nicht.«
»Also nur lauwarme Luft?«
»So kann man's nennen. Ich wette sogar, der Bauer von 167 heißt wirklich Bärtke. Das werden wir schnell feststellen lassen. Dann ist es sogar kalte Luft. Warum soll Wulpert nicht für Bärtke einen Hund kaufen … er ist ja Fachmann. Das ist ein betonhartes Alibi. Dagegen rennt kein Kripobeamter an! Ich tät's auch nicht.«
»Und was nun?«
»Aus Niederlagen lernt man. Ich muß an Wulpert unmittelbar heran. Das ist vielleicht in den nächsten Tagen möglich. Aber davon möchte ich noch nicht sprechen.« Tenndorf dachte an Steffen Holle und den Plan der nächtlichen Tierbefreiungsaktion. Man hatte zunächst an eine andere Tierhandlung gedacht, aber dann waren von Laurenz Kabelmann Berichte und heimlich aufgenommene Minoxfotos bei der Aktionsgemeinschaft ›Rettet die Tiere e.V.‹ eingegangen, die Holle veranlaßten, den ursprünglichen Plan sofort umzuändern und Wulpert zum Ziel des nächsten Einsatzes zu wählen.
»Sie fahren jetzt wieder nach Hause?« fragte Eberhard Lutz.
»Ja, was soll ich sonst tun?« Tenndorf sah sich um. Einsame Landstraße,
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