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Wer sich nicht wehrt...

Wer sich nicht wehrt...

Titel: Wer sich nicht wehrt... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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viel zu träumen, sah sich im Mittelpunkt der ausschweifendsten Ereignisse und stand jeden Morgen wie gerädert auf.
    In einem solchen Zustand traf sie Kabelmann eines Abends im Gasthaus ›Zur Post‹. Er stand brav am Tresen, trank ein Bier und einen Korn und unterhielt sich mit dem Postwirt über Portugal. Im Vorbeigehen hörte Erna noch, wie Kabelmann süffisant sagte: »Und im Norden, da leben Weiber mit roten Haaren, das sind Raketen im Bett. Das hältste kaum aus …« Ihr wurde davon ganz schwummerig zumute, sie mußte sich schnell an einen Tisch setzen und tief durchatmen.
    Als Kabelmann später an ihr vorbeikam, hielt sie ihn am Parka fest. Es war ein einmalig mutiger Griff, fast eine Verzweiflungstat.
    Laurenz blieb stehen und blickte auf Erna hinunter. Sie hatte glühende Bäckchen, und ihre Lippen zitterten.
    »Sie waren in Portugal?« fragte sie schnell atmend. »Ich habe das vorhin im Vorbeigehen zufällig gehört. Erzählen Sie mir etwas von Portugal. Ich möchte so gern einmal dahin …«
    »Das wäre gut für Sie, mein Postmädchen«, sagte Kabelmann wie ein Verschwörer und beugte sich zu Erna Sudereich hinunter. »Da nähen die Männer sich vorne Leder in die Hosen, damit sie nicht so schnell den Stoff durchstoßen …«
    Von dieser Minute an ging Erna Sudereich mit verkniffenem Gesicht Kabelmann aus dem Weg. Wenn er ab und zu im Postamt telefonierte, hängte sie ein Schild an das altmodische Schiebefenster: Vorübergehend geschlossen. Kabelmann winkte ihr dann jedesmal nach Beendigung des Gespräches zu … sie blickte weg, bekam eine tiefe Gesichtsröte und atmete heftig. Wie konnte sie ahnen, daß Laurenz Kabelmann im Privatleben ein höchst solider Zoologe war?
    Mit Pumpi und Micky, die nun Fähnchen und Mausi hießen, hatte Kabelmann schnell einen guten Kontakt. Die Tiere vergaßen ihm nicht, daß er sie immer gut behandelt hatte. Im Haus spielten sie mit ihm, und Willi Wulpert erlaubte ihm sogar, daß er abends mit ihnen spazierenging, nach dem Dienst. Von der längst vergessenen Anzeige Tenndorfs in den Zeitungen wußte Kabelmann nichts, er hatte an jenem Tag keine Zeitungen gelesen. Daß Wulpert den lustigen schwarz-weiß-roten Hund und die rot-weiß gestreifte Katze zu sich genommen und vor dem sicheren Tod bewahrt hatte, hielt er für eine Marotte des Alten, für einen dieser ›nationalen Spleens‹, von denen der alte Wulpert laufend neue produzierte. Zu denen gehörte zum Beispiel der Preußische Präsentiermarsch, den Wulpert ab und zu auf dem Plattenspieler abspielte und den er in strammer Haltung und sehr zackig mit einem hölzernen langen Kochlöffel dirigierte. Ihn dabei zu stören war fast ein Verbrechen. Das wagte auch niemand, nicht einmal Emmi, seine Frau.
    Dieses schöne ›Familienleben‹ wurde nun von einem Tag zum anderen angeknackst … bei Kabelmann, nicht bei den Wulperts, die davon keine Ahnung hatten. Steffen Holle hatte Kabelmann davon unterrichtet, daß die nächste Aktion gegen Wulpert gerichtet war. Die Fotos, die Fabricius entwickelt und übergeben hatte, waren dafür ausschlaggebend, aber auch der unter einem Decknamen erfolgte Kauf von Bravo.
    Den ›Bravo-Einsatz‹ hatte Kabelmann hautnah erlebt, allerdings von der anderen Seite aus. Am Abend vorher war Josef Kabelmann stinkwütend von seiner Tante Bärtke aus Meklenhorst zurückgekommen, die linke Hand verbunden. Was er erzählte, trieb sogar dem alten Wulpert fast Tränen der Wut in die Augen, auch wenn er mit der Faust auf den Tisch hieb, daß die Teller tanzten.
    Josef erzählte, wie er am Abend mit Bravo nach Otternbruch fahren wollte, nachdem der Hund sich bei Tante Bärtke wirklich friedlich benommen hatte. Ein Hund, der unter Brüdern das Vierfache von dem wert war, was Josef an Tenndorf gezahlt hatte. Als Versuchshund allerdings konnte man für ihn nicht mehr als siebenhundert Mark verlangen. Das war schon das Höchste für die Labors.
    Also, er war mit Bravo aus dem Haus gekommen und wollte mit ihm in den Wagen steigen, als er von der Straße her einen merkwürdigen Pfiff hörte. Dort stand mit abgeblendeten Lichtern ein Auto, ein Mercedes, die linke Tür offen. Bravo reagierte wie ein Raubtier: Er riß sich mit einem gewaltigen Ruck von Josef los, biß ihn in die Hand, als er zugreifen wollte, und sauste dann davon, auf den Wagen zu. Er sprang durch die offene Tür hinein, die Tür wurde zugeschlagen, und dann raste der Wagen im aufstiebenden Schnee in Richtung Otternhagen davon. Als Josef seinen

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