Wer stiehlt schon Unterschenkel: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)
Aber ich muß Sie sprechen. Das ist mein Angebot: eine Kiste 1982er Château Neuf du Pape. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, welche Überwindung mich dieses Angebot kostet. Also, wann kommen Sie? Geben Sie Patton Bescheid. Mein Helicopter holt Sie ab.«
Timothy verglich die Kontrollfrequenz, die unter der Nachricht lag, mit den Werten, die Brookers Sekretär ihm angekündigt hatte.
Die Nachricht war echt.
Was, zum Henker, mochte Brooker von ihm wollen? Die UNITED CHEMICAL hatte ihre eigene Polizeitruppe und eine ganze Kompanie von Detektiven, und wenn Brooker nur mit dem kleinen Finger winkte, stand nicht nur die Polizei von ganz Indiana, sondern auch das FBI stramm.
Timothy stand auf, tigerte durch das Zimmer. Er überlegte, ob einer seiner Fälle Brookers Interesse erregt haben könnte, aber ihm fiel nichts ein, und dann hätte Brooker wohl nur einen Beauftragten geschickt. Timothy ließ das Hologramm noch einmal abtasten, aber es enthielt keine weiteren Informationen. Er rief Josuah Trevers an.
»Samuel S. Brooker will mich sehen«, sagte Timothy, »und er läßt es sich etwas kosten, eine ganze Kiste Château Neuf du Pape, Neunzehnhundertzweiundachtziger.«
»Ich werde dir beim Trinken helfen, Tiny.«
»Okay. Was gibt es Neues bei der UNITED?«
»Der Präsident hat Brooker vorige Woche besucht –«
»Interessiert mich nicht. Was kann dem Bigboss Kummer bereiten?«
»Keine Ahnung; ihr Problem mit den Syndikaten hat die UNITED gelöst, und sonst –«
»Was war das?« Timothy hatte sich aufgerichtet und hockte mit untergeschlagenen Beinen auf seinem Sessel, die Hände auf die Oberschenkel gestützt.
»Du kannst dich ruhig wieder langlegen, Tiny«, sagte Trevers. »Du hockst doch schon wieder im Schneidersitz, oder?«
»Ach, Unsinn«, knurrte Timothy und legte sich hin. »Warum eigentlich Schneidersitz?«
»Soll ich es recherchieren? Vielleicht hieß der Mann, der ihn erfunden hat, Schneider. Sicher ein Deutscher. Was die alles erfunden haben. Aber du weißt doch sonst alles.«
»Napoleon«, korrigierte Timothy, »Napoleon muß alles wissen. Also, was ist mit den Syndikaten?«
»Erledigt. Sie hatten den Chemietrusts neue Transporttarife diktiert, und die wollten sie nicht akzeptieren. Gestern haben sie akzeptiert – nachdem ein halbes Dutzend Transporte in die Luft geflogen sind.«
»Was sonst?«
»Brookers Partner, Weaverly, ist vor kurzem gestorben. Sauerstoffnihilation. Blutkrebs.«
»Daran sterben Tausende. Was ist mit Brookers Privatleben?«
»Zum fünftenmal verheiratet, mit der vorjährigen Schönheitskönigin, ein Sohn aus erster Ehe, Charles Benedict, der Kronprinz, und zwei Mädchen aus der dritten, Zwillinge, ein Schloß bei Harlington –«
»Ein richtiges Schloß?«
»Sogar ein Original. Sein Großvater hat es aus Schottland kommen lassen, noch kurz vor der Isolation. Du solltest ihn besuchen, das Schloß ist sehenswert.«
»Es bleibt mir wohl nichts anderes übrig«, stöhnte Timothy. »Du weißt jetzt, wo man mich suchen muß, falls ich verschwunden sein sollte. Seid nett zu Napoleon. Er hat es verdient.«
Trevers lachte.
»Deine Angst, aus deinem Bau herauszukriechen, ist grotesk. Wenn dir wirklich einer ans Leben will, nutzt es dir auch nichts, daß du dich in deinem Wolkenkratzer vergräbst. Fahr nach Harlington. Brooker soll eines der besten Klimas der Staaten haben.«
2.
Das Schloß war wirklich sehenswert. Timothy setzte sich auf, als der Helicopter die milchige Halbkugel der Klimasphäre durchstieß, die Brookers Landsitz überspannte. In der klaren Luft bildete das Altrot der Ziegel einen wie von Künstlerhand abgestimmten Kontrast zu dem satten Grün des Rasens und der Bäume; ein riesiger englischer Park umgab das Schloß bis zu dem kreisförmigen Wall, der nur schwach durch das Grau schimmerte, das sich immer an den Berührungszonen zwischen der Klimasphäre und dem Boden bildet. Timothy bat Brookers Sekretär, er möge den Helicopter eine Runde um das Schloß drehen lassen. »Wer weiß, ob ich noch jemals Gelegenheit habe, so etwas zu sehen.«
Patton programmierte den Autopiloten, und der Helicopter schwenkte in eine Kreisbahn ein. Patton verzog keine Miene. Er hatte die ganze Zeit kein Wort gesagt außer »Guten Tag«, als er Timothy auf dem Landeplatz des »Nebraska« in Empfang nahm. Er hatte sich nicht einmal Timothys Identicat geben lassen. Wozu auch, einen Timothy Truckle konnte man nicht nachahmen. Der Helicopter vollendete seinen dritten Kreis um das
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