Wer stiehlt schon Unterschenkel: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)
bis auf die Quaserschaltung ein großes schwarzes Loch.
Timothy pfiff vergnügt. Während Napoleon leise summte, bereitete er sich eine süßsaure Meerrettichsuppe mit Kalbsaugen und Algenklößchen. Nach dem Essen goß er sich einen »Seagrams de Luxe« ein, gab Napoleon den Auftrag, ihn am Ende der Übertragung zu wecken, und legte sich schlafen.
Napoleon weckte ihn mitten in der Nacht.
Timothy machte sich mit einem Kaffee munter. Er genehmigte sich einen Naturalkaffee, zählte dreißig Bohnen ab und mahlte sie in der Kaffemühle zu staubfeinem Pulver. Als das Aroma durch die Wohnung zog, atmete er tief und mit geschlossenen Augen, sein Gesicht bekam einen verklärten Ausdruck.
Er setzte sich zu Napoleon. Sie untersuchten, verglichen, prüften, summierten, integrierten und extrahierten, fragten, antworteten, schieden aus, klammerten ein, entwarfen lange Kausal- und Quasikausalperioden – die ganze Nacht und den nächsten Tag und den übernächsten und den folgenden. Timothy gönnte sich nur kurze Pausen im Bad und war jedesmal für eine halbe Stunde unleidlich, wenn Napoleon ihn wieder in die Wirklichkeit zurückholte.
Dulles drängte nicht. Jeden Abend präzise um achtzehn Uhr drei, wie sie es verabredet hatten, ließ er nachfragen, ob Mister Truckle ihn einmal besuchen könne, und jedesmal bekam er die Antwort, Mister Truckle sei heute und morgen nicht zu erreichen.
Timothy legte sich ins Bett und ließ sich die Zeitungsfotos auf die Videowand projizieren, Zehntausende, Hunderttausende. Bis ihm die Augen schmerzten und sein Schädel zu zerplatzen drohte.
Dann gab er auf.
Er schlief nahezu vierundzwanzig Stunden. Als er aufwachte und an die zurückliegenden Tage dachte, schüttelte er den Kopf und erklärte sich lauthals für verrückt. Ein Glück, daß der Große Bruder ihm nicht auch noch die Film- und Fernsehaufnahmen beschafft hatte. Wie sollte er nachholen können, wofür Blacksmith und die SOLIDAD-Leute drei Jahre Zeit gehabt hatten, wie sollte er das alles verarbeiten: zweiundzwanzig Jahrgänge von sieben Tageszeitungen, von über zwanzig Magazinen und Illustrierten, die die Zeit von Blacksmith’ Übersiedlung nach Chicago bis zu seinem Einfrosten dokumentierten, Seiten über Seiten voller Worte und Begriffe, von denen Timothy viele nie zuvor gehört hatte, bei manchen hatte sogar Napoleon Schwierigkeiten, und der war – illegal, versteht sich – auch auf die Sprache der vorigen Jahrhunderte eingestellt worden. In die Elektrozeitschriften und Lehrerzeitungen hatte Timothy bisher nicht einmal hineingesehen und kaum in die OHIO NEWS, von der man zwölf Jahrgänge gestohlen hatte, zwei Jahre vor Arriberts Geburt beginnend. Sein Geburtsort war offensichtlich so klein gewesen, daß es dort keine eigene Zeitung gegeben hatte, und in der OHIO NEWS waren Nachrichten über Palmsprings Fields dünn gesät.
Das einzige, was diese Tage ihm eingebracht hatten, waren Kopfschmerzen und Hochachtung vor der Leistung von Blacksmith zwo, wer immer das sein mochte.
Timothy ging zu Napoleon und rief: »Feierabend. Arribert Blacksmith weiß doch alles besser als wir.«
Napoleon spuckte einen Streifen aus: + + wer? + arribert blacksmith 1 oder arribert blacksmith 2? + n. + + +
»Von mir aus beide«, erwiderte Timothy ärgerlich.
+ + unsinn + erstens: keiner von beiden kann alles wissen + alles ist die gesamtheit aller bekannten und unbekannten fakten + zweitens: arribert blacksmith 2 kann nicht wissen, was arribert blacksmith 1 wußte + er kann nur wissen, was in den informationen stand + + n. + + +
»Und was, du neunmalkluger Klugscheißer«, sagte Timothy, »müßte Arribert Blacksmith zwei wissen, wenn er wirklich Arribert Blacksmith eins wäre, was nicht in den Akten steht?«
+ + die human personality facts, die einmaligen, unverwechselbaren eindrücke und erlebnisse von arribert blacksmith [ + n. + + +
»Dummkopf, so schlau bin ich selbst«, brummte Timothy. »Das hilft uns nur nicht weiter, denn davon haben wir auch keine Ahnung. Die Frage lautet: Was könnte er gewußt haben, was nicht seine persönlichsten Fakten betrifft und doch nicht in den Berichten steht?«
+ + was jeder weiß, doch niemand wissen darf + n. + + + Timothy sprang auf und drückte einen Kuß auf Napoleons Bauch. »Weißt du zufällig auch noch, was das ist?«
+ + nein + n. + + +
Als Timothy schon im Mausoleum verschwinden wollte, räusperte sich Napoleon. Im Geber lag noch ein Streifen.
+ + aus der anleitung für die bedienung
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