Wer stiehlt schon Unterschenkel: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)
bekam aber nur die Auskunft, der sei unterwegs. Am Abend kam Nachricht von Dulles, er habe sich mit Walton, dem Präsidenten der SOLIDAD, für den nächsten Tag zum Mittagessen verabredet. Timothy beauftragte Napoleon, ihn am nächsten Tag um zwölf zu wecken, dann schluckte er ein halbes Dutzend Rosaperlen und kroch ins Bett.
Pünktlich um zwölf weckte Napoleon ihn, um dreizehn Uhr hatte Timothy sein Frühstück beendet, kurz vor vierzehn Uhr meldete sich Dulles über die normale Leitung. Ein gebrochener Dulles, das Gesicht zerknittert, der Mund verkniffen; unaufhörlich kaute er auf der Unterlippe, kratzte sich die Wange oder rieb die Nasenspitze.
»Vorbei«, sagte er müde, »es ist alles vorbei, Timothy« – es war das erste Mal, daß er sich zu einer solchen Geste der Vertraulichkeit herabließ –, »man hat uns schmählich verraten. Mein eigener Privatsekretär! Als ich eben beim Essen den Hund von der Leine lassen wollte, bedankte sich Walton für den guten Tip. Er bedankte sich tatsächlich bei mir! Freundlich lächelnd! Ja, sie hätten den Emerson-Skandal bisher sträflich vernachlässigt, doch gestern hätten sie einen Hinweis bekommen und sich die Unterlagen beschafft.« Dulles wischte sich Schweiß von der Stirn. »Dann hat er mir die Registriernummer genannt, Sie wissen schon, welche. Er wußte sie auswendig!«
Timothy mußte sich einen Augenblick entschuldigen und etwas zu trinken holen, so würgte es ihm im Hals. Da er in der Aufregung keinen Saft fand, trank er Wasser.
»Ich habe Walton die GOLDEN FUTURE zum Kauf angeboten«, sagte Dulles kraftlos. »Er hat sich Bedenkzeit ausgebeten. Noch vorgestern hätte er sie mit Kußhand genommen!«
»Es muß noch eine andere Möglichkeit geben«, sagte Timothy. »Wenn Sie mir helfen –«
»Für mich ist der Fall erledigt. Und für Sie auch. Vergessen Sie ihn.«
»Wir können die Sache doch nicht einfach laufenlassen«, stöhnte Timothy. »Befreien Sie mich wenigstens von meiner Schweigepflicht.«
»Wozu? Soll ich mir zu allem auch noch meinen guten Ruf untergraben und die GOLDEN FUTURE als Schwindelunternehmen hinstellen lassen? Das würde nur auf die anderen Firmen des Konzerns abfärben. Nein, Mister Truckle, das Spiel ist aus. Wir haben gespielt, so gut wir konnten, und wir haben verloren. Selbstverständlich bekommen Sie Ihr volles Honorar und die Plastik dazu. Es war schließlich meine Schuld! Wie konnte ich einem Menschen vertrauen!«
»Ich verliere ungern, aber –« Timothy zwang sich zu einem Lachen. »Ich bekomme meine Plastik und siebenmal zehntausend Dollar, das ist schließlich Lohn genug für eine Woche Arbeit.«
»Siebenmal tausend«, korrigierte Dulles. »Ich denke, das ist ein angemessenes Honorar.«
»Und die andere Sonic, die Sie meinem Freund abkaufen wollten?«
Dulles lachte böse. »Glauben Sie im Ernst, ich hätte Vergnügen daran? Suchen Sie eine aus, und schicken Sie sie irgendeinem Museum, Sie können ja eine Tafel anbringen lassen, daß ich sie getiftet habe.«
Timothy schickte ihm ein dankbares Lächeln. »Dann bin ich schon glücklich und zufrieden. Wenn ich nicht dazu beitragen konnte, ein paar Dummköpfe vor dem Selbstmord zu bewahren, so doch dazu, die Bleibenden ein Stück echte Kunst erleben zu lassen.«
»Sie sind gut dran, daß Sie es so sehen können«, sagte Dulles bissig. »Auf Wiedersehen, Mister Truckle.«
Timothy schaltete sich schnell aus, damit Dulles nicht seine Flüche hörte.
8.
Noch an diesem Abend und nicht erst am nächsten Morgen, wie ursprünglich vorgesehen, startete die SOLIDAD ihre Werbekampagne. Es begann mit der Meldung, daß man demnächst einen Mann aus dem vorigen Jahrhundert auftauen würde. Den Namen gaben sie zwei Tage später bekannt.
Zu dieser Zeit dämmerte Timothy immer noch in dem wohltuenden Nichts des hypnopädischen Schlafes, in den er sich nach Dulles’ Anruf versenkt hatte. Als er aufwachte, beherrschte Arribert Blacksmith die Staaten; sein Bild leuchtete von Millionen Reklamewänden und wurde immer wieder über die Videoschirme gejagt. Erste Arribert-Blacksmith-Fan-Clubs bildeten sich. Jetzt stand auch schon der Termin seiner Wiederauferstehung fest und daß er sich zwei Tage später, nachdem die Ärzte ihn gründlich untersucht haben würden und er sich wenigstens provisorisch auf das Leben im 21. Jahrhundert einstellen konnte, der Öffentlichkeit stellen sollte.
Timothy war durch einen Notruf geweckt worden, vom Großen Bruder, der ihm bittere Vorwürfe machte.
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