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Wer stiehlt schon Unterschenkel: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)

Titel: Wer stiehlt schon Unterschenkel: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Prokop
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sie selbst es wüßten, und das ist mindestens viermal soviel wie in Wirklichkeit. Kennen Sie zum Beispiel die Augenfarbe Ihrer Mutter, Mister Truckle?«
    Timothy überlegte eine Weile, dann schüttelte er den Kopf. »Sehen Sie, so etwas kann Blacksmith sich nicht leisten. Jemand könnte Angst bekommen, daß er sein Gedächtnis im Freezer verliert.«
    Dulles wollte offensichtlich gehen, doch Timothy lag mit geschlossenen Augen und schien nicht zu merken, wie sein Gast sich erhob, eine Weile unentschlossen vor Timothys Stuhl stand und dann begann, sich die Einrichtung des Mausoleums anzusehen. Schließlich öffnete Timothy die Augen.
    »Ich habe eine Idee«, sagte er, »ich weiß aber nicht, ob sie etwas taugt. Können Sie nicht den eingefrorenen Original-Arribert verschwinden lassen?«
    Man konnte Dulles die Enttäuschung deutlich ansehen. »Wenn es so einfach wäre!« rief er. »Wir haben versucht, ihn zu stehlen. Dann hätten wir die SOLIDAD zu einem Kompromiß zwingen können. Als das fehllief, haben wir das Depot sprengen lassen, aber Blacksmith lag schon nicht mehr in diesem Bunker. Es wird gemunkelt, die SOLIDAD hätte ihn mitsamt einem Versorgungssystem in den Safes der Nationalbank untergebracht, und die sind leider noch sicherer als alle Regierungsbunker.«
    »Und wo Blacksmith zwo sich befindet, konnten Sie auch nicht herausbekommen?«
    »Leider nicht. Wenn ich wüßte, wo und wie die SOLIDAD ihren Kandidaten trainiert, hätte ich nicht zu Ihnen kommen müssen.«
    »Wo, weiß ich nicht«, sagte Timothy, »aber ich glaube, ich weiß, wie sie es machen.«
    »Erzählen Sie«, stieß Dulles aus, »erzählen Sie!«
    »Später. Und nur, wenn es stimmt. Auch ein Detektiv hat seinen Stolz.«
    4.
    Arribert Blacksmith schien ein äußerst farbloser Mensch gewesen zu sein: weiß, evangelisch-methodistisch, Sohn eines Elektrikers, in Palmsprings Fields, einem kleinen Nest in Ohio, geboren; als er zehn Jahre alt war, verzog die Familie nach Chicago; in der Schule durchschnittliche Leistungen und durch nichts hervorgetan, ebenso in der Lehre als Elektriker, bei der Armee und im College, das er anschließend besuchte, in der Lehrerbildungsanstalt und in den sechs Jahren an einer öffentlichen Schule. Mit zwanzig, während des Armeedienstes, hatte er geheiratet, mit vierundzwanzig sich scheiden lassen. Keine Kinder. Keine Krankheiten, nur als Junge eine Blinddarmoperation. Einen Backenzahn gezogen. Keine überlebenden Verwandten ersten bis sechsten Grades. Ein knappes Dutzend Fotos, offensichtlich Kopien, davon nur vier Aufnahmen des erwachsenen Arribert: das Paßfoto, ein Armeebild, das Hochzeitsfoto und eins auf irgendeiner Ausstellung mit Weltraumtechnik, das andere waren Kinderfotos: das unvermeidliche auf dem Eisbärenfell, dann auf Mutters Arm, auf Vaters Arm, die Einschulung, ein Foto beim Baden, Arribert, gerade aus dem Wasser kommend, triefnaß, in weißen Bermudashorts.
    Die meisten Angaben stammten aus der Akte, die für jeden Gefreezten angelegt wurde, konnten also ebensogut manipuliert sein. Dann die üblichen Papiere, Zeugnisse, Führerschein, Militärpaß und die Eintragungen im Grundstückskataster über Kauf und Verkauf eines kleinen Häuschens. Blacksmith hatte es kurz vor dem Einfrosten verkauft, sicherlich um die Kosten zahlen zu können.
    Dulles’ Agenten hatten auch nachgeforscht, wer seinerzeit mit Blacksmith befreundet gewesen sein und Aufzeichnungen, Briefe oder Tagebuchnotizen hinterlassen haben konnte, waren aber immer nur auf die Spuren der SOLIDAD-Leute getroffen, die jahrelang alles abgegrast hatten.
    Timothy gab Napoleon den Kristall zu fressen. »Vielleicht fällt dir etwas ein.« Er selbst fuhr in die »Stardust«-Bar.
    Napoleon spuckte nur Banalitäten aus, als Timothy wiederkam. Er schaltete ihn auf Disput und diskutierte vier Stunden lang Fakt für Fakt mit ihm. Ohne Ergebnis. Schließlich ließ sich Timothy von Napoleon die Stundenfrequenz des Großen Bruders geben, ging ins Mausoleum, schickte den Ruf hinaus und wartete, bis sich der Große Bruder meldete, mit den üblichen Verzögerungen und der blechernen Stimme.
    »Wo brennt’s denn schon wieder, Tiny?«
    Timothy erklärte es. »Ich vermute«, schloß er, »daß die Zeitungsdiebstähle damit zusammenhängen. Weißt du, welche Jahrgänge gestohlen wurden?«
    »Das also steckt dahinter. Woher weißt du davon? Es ist ziemlich geheim.«
    »Die Bachstelze hat es mir geflüstert, weiß der Himmel, warum.«
    »Vielleicht liebt sie dich

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