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Wer stirbt, entscheidest du

Wer stirbt, entscheidest du

Titel: Wer stirbt, entscheidest du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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die Liebe, die mich schließlich rettete, der ich verdankte, dass ich mein Leben wieder in den Griff bekommen hatte. Ihre Freude und Begeisterungsfähigkeit war ansteckend. Sie war alles für mich, mein Dreh- und Angelpunkt.
    Wen liebst du?
    Sophie. Von ganzem Herzen.
    D.D. traute mir das Schlimmste zu, wozu eine Mutter fähig sein konnte. In Wirklichkeit zeigte ich ihr, wie weit eine Mutter für das geliebte Kind zu gehen bereit war.
    Was soll ich sagen? Fehler kommen einem in unserem Gewerbe teuer zu stehen.
    Ich kehrte mit Officer Fiske zu dessen Wagen zurück, gefesselt an den Händen, aber die Beine frei. Dieses kleine Detail schien er vergessen zu haben, und ich sah keine Veranlassung, ihn daran zu erinnern. Duldsam wie ein Lamm nahm ich auf der Rückbank Platz.
    Beide Türen standen offen. Ich bräuchte Luft, hatte ich ihm gesagt; mir sei schrecklich übel. Officer Fiske hatte mich misstrauisch angeschaut, dann aber genickt und mir sogar geholfen, die schwere Jacke zu öffnen, unter der ich meine Arme kaum rühren konnte.
    Daraufhin setzte er sich ans Steuer, offenbar frustriert und gelangweilt. Man wurde Polizist, um am Ball zu sein, nicht, um als Reservist auf der Bank zu sitzen. Doch nun saß er hier, dazu verdonnert, die Hunde nur aus der Ferne jaulen zu hören.
    «Sie haben wohl die Arschkarte gezogen», sagte ich.
    Officer Fiske blickte stur nach vorn.
    «Schon mal an einer Leichenbergung teilgenommen?»
    Er weigerte sich, den Mund aufzumachen. Nur ja kein Wort an den Feind.
    «Ich war ein paarmal dabei», fuhr ich fort. «Furchtbar penible Arbeit. Das Suchfeld wird gerastert, und man geht Abschnitt für Abschnitt vor. Interessanter sind Rettungsaktionen. Ich bin einmal gerufen worden, um einen dreijährigen Jungen aus einem Tümpel zu ziehen. Er war schon untergegangen und nicht mehr zu sehen. Zwei Freiwillige fanden ihn schließlich. Ein unglaublicher Moment. Alles ringsum heulte, nur der Junge nicht. Er wollte bloß ein Stück Schokolade.»
    Officer Fiske sagte immer noch nichts.
    Ich rutschte auf der harten Kunststoffbank hin und her und lauschte angestrengt nach draußen. War da schon etwas zu hören? Nein, noch nicht.
    «Haben Sie Kinder?», fragte ich.
    «Seien Sie endlich still», knurrte Officer Fiske.
    «Falsche Strategie, der Sie da folgen», belehrte ich ihn. «Wäre besser, Sie unterhalten sich mit mir. Wer weiß? Vielleicht sind Sie der Glückliche, der mein Vertrauen gewinnt und mir ein Geständnis entlockt. Sie wären der Held des Tages. Denken Sie mal darüber nach.»
    Officer Fiske drehte sich zu mir um.
    «Ich wäre dafür, dass die Todesstrafe wieder eingeführt wird, und sei es nur für Sie», sagte er.
    Ich lächelte ihn an. «Sie sind ein Idiot. So wie die Dinge zur Zeit stehen, wäre der Tod doch wohl der leichteste Ausweg.»
    Er kehrte mir wieder den Rücken und schwieg.
    Ich summte vor mich hin. Die böse Tessa in mir erwachte.
    «All I want for Christmas is my two front teeth, my two front teeth, my two front teeth.»
    «Hören Sie auf damit!», blaffte Officer Fiske.
    Und plötzlich war es zu hören: Ein Hund hatte Witterung aufgenommen und fing aufgeregt zu bellen an. Sein Führer rief die anderen zu sich. Officer Fiske richtete sich auf und spähte nach vorn.
    Ich konnte seine Anspannung spüren, sein Verlangen, den Wagen zu verlassen und sich ins Getümmel zu werfen.
    «Sie sollten mir danken», sagte ich.
    «Maul halten.»
    Das Gebell wurde lauter. Ich stellte mir vor, wie Quizo um den gestürzten Baum herumrannte, hinter dem sich eine hohe Wehe aus feinem Pulverschnee gebildet hatte. Ich hatte mich, als ich diese Stelle endlich fand, kaum mehr auf den Beinen halten können und wäre unter der Last, die ich schleppte, fast zusammengebrochen.
    Ich hatte den toten Balg abgelegt und den Klappspaten unter dem Gurt an der Hüfte hervorgezogen. Trotz der dicken Handschuhe waren mir die Finger fast erfroren, und ich schaffte es kaum, das Ding auseinanderzuklappen. Mein Rücken schmerzte, als ich mich vorbeugte und daranmachte, die dünne äußere Eiskruste zu durchstoßen und den lockeren Schnee darunter wegzuschaufeln. Keuchend wühlte ich ein Loch frei. Die heißen Tränen gefroren noch auf den Wangen zu Eis.
    Vorsichtig legte ich schließlich die Leiche in das Loch und füllte es wieder mit Schnee, wozu ich mir nun ein wenig mehr Zeit lassen konnte.
    Mit dreiundzwanzig Schaufeln Schnee hatte ich einen erwachsenen Mann zugeschüttet. Längst nicht so viele Schaufeln brauchte

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