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Wer stirbt, entscheidest du

Wer stirbt, entscheidest du

Titel: Wer stirbt, entscheidest du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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Verzweiflung.
    Nahm sie die Hundemeute und ihre Entourage überhaupt noch wahr? Oder war sie in Gedanken ganz woanders, zurückversetzt an einen kalten Samstagnachmittag? Nachbarn hatten den Denali gegen vier Uhr abfahren sehen, kurz vor Einbruch der Dämmerung.
    An was hatte Tessa Leoni in der letzten halben Stunde, bevor es dunkel geworden war, gedacht? Als sie mit der Last ihrer toten Tochter im Arm über das flache, weiße Feld, durch diesen Wald und immer tiefer ins Gehölz gestapft war?
    Ihr Kind zu begraben – war es für sie die Preisgabe ihres größten Schatzes gewesen, dessen Rückführung in die Heiligkeit der Natur? Oder hatte sie ihre größte Sünde im dunklen Schoß des Waldes zu verbergen versucht?
    Sie kamen an moosbedeckten Felsbrocken vorbei, die von Menschenhand aufgeschichtet zu sein schienen und wie ein altes Fundament oder die Reste eines Walls aussahen. In einem so lange bewohnten Staat wie Massachusetts waren auch Wälder nicht ohne Spuren menschlicher Besiedlung.
    Als sich eine kleine Lichtung vor ihnen auftat, blieb Tessa plötzlich wie angewurzelt stehen.
    Ihr Kehlkopf ging auf und ab. Es dauerte eine Weile, bis sie den Mund aufmachte. «Hier», flüsterte sie.
    «Wo?», fragte D.D.
    «Dort, in der Schneewehe vor dem gestürzten Baum. Da war es leicht zu graben.»
    D.D. musterte schweigend die langgezogene Anhebung, unter der ein Baumstamm versteckt liegen mochte. Nicht weit davon entfernt zeigten sich allerdings zwei weitere solcher Schneebänke. Die Lichtung war nur an die dreihundert Quadratmeter groß. Es würde eine leichte Übung für die Spürhunde sein, falls hier denn tatsächlich ein Leichnam verscharrt worden war.
    Auch Bobby schaute sich aufmerksam um. Er ließ seinen Scharfschützenblick über die drei Schneewehen schweifen und nickte D.D. zu.
    Es war an der Zeit, die Hunde freizulassen.
    «Sie gehen jetzt zum Wagen zurück», sagte D.D., ohne Tessa anzusehen.
    «Aber –»
    «Sie gehen jetzt!»
    Tessa presste die Lippen aufeinander. D.D. wandte sich dem Suchtrupp zu und entdeckte einen Officer, den sie auch schon am Tatort angetroffen hatte. Sie winkte ihn zu sich. «Officer Fiske?»
    «Ja, Ma’am.»
    «Sie werden Mrs. Leoni zu Ihrem Wagen bringen und auf sie aufpassen, bis wir wieder zurück sind.»
    Dem jungen Kollegen war deutlich anzusehen, dass es ihm nicht passte, zum Kindermädchen degradiert zu werden. «Ja, Ma’am.»
    «Sie tragen eine große Verantwortung. Enttäuschen Sie mich nicht.»
    Er warf sich in die Brust, trat an Tessas Seite und legte eine Hand auf seinen Holster.
    Tessa sagte nichts. Sie blickte wieder ausdruckslos vor sich hin. Das Gesicht eines Cops, dachte D.D. unwillkürlich und spürte ein Frösteln im Rücken.
    «Danke», sagte sie.
    «Wofür?», fragte Tessa.
    «Dafür, dass Sie uns hierhergeführt haben. Kinder sollten nicht allein im Wald zurückbleiben. Jetzt können wir Ihre Tochter heimholen.»
    Tessa schien die Fassung zu verlieren. Sie riss die Augen weit auf und geriet ins Wanken. Es hätte nicht viel gefehlt, und sie wäre gestürzt.
    «Ich liebe meine Tochter.»
    «Dann behandeln Sie sie mit Respekt», erwiderte D.D. Sie hatte ihren Blick bereits auf den Suchtrupp gerichtet, der sich nun in Bewegung setzte und auf die Lichtung vorrückte.
    «Ich liebe meine Tochter», wiederholte Tessa mit Nachdruck. «Sie glauben zu verstehen, dabei stehen Sie erst am Anfang. Noch neun Monate, und dann werden Sie sich wundern, wie wenig Sie für andere empfunden haben im Vergleich zur Liebe zu Ihrem Kind, die von Jahr zu Jahr noch größer wird. Sechs Jahre einer solchen Liebe …»
    D.D. schaute sie an. «Hat am Ende wohl nicht ausgereicht, oder?»
    Sie wandte sich von Tessa Leoni ab und folgte dem Trupp.

[zur Inhaltsübersicht]
    30. Kapitel
    Wen liebst du?
    Das war die Frage. Sie war es von Anfang an gewesen. Aber das wusste Detective D.D. natürlich nicht. Sie glaubte, einen typischen Fall von Kindesmisshandlung und Totschlag zu bearbeiten, was man ihr nicht einmal übel nehmen konnte. Der Himmel weiß, wie häufig ich in Haushalte gerufen wurde, wo bleichgesichtige Kinder ihre toten Mütter beweinten. Ich habe eine Mutter ihren Sohn prügeln sehen, das Gesicht dabei so teilnahmslos, als zerquetsche sie irgendeine Schmeißfliege. Ich habe Kinder gesehen, die verletzt waren und sich selbst verarzten mussten, weil die Mutter keinen Finger für sie rührte.
    Jedenfalls hatte ich D.D. zu warnen versucht. Sophie war nicht nur meine Tochter, sondern

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