Wer stirbt, entscheidest du
«Ein Viertelstündchen noch.»
«Brauchen Sie etwas von uns?»
Nelson grinste. «Ein X vielleicht, das die Stelle markiert?»
«Woher wissen Sie, ob die Hunde etwas gefunden haben?», fragte D.D. neugierig. «Bellt Quizo dann … lauter?»
«Drei Minuten, ununterbrochen», antwortete Nelson. «Im Ernst, je nach Ausbildung macht der eine Hund, wenn er fündig wurde, Platz, der andere gibt einen bestimmten Laut von sich. Unsere Hunde, die vor allem zur Rettung eingesetzt werden, sind tatsächlich darauf abgerichtet, drei Minuten lang zu bellen, denn sie laufen häufig weit voraus und sind dann nicht mehr zu sehen.»
«Nun, mit einem X kann ich leider nicht dienen», sagte D.D. «Aber wir können vielleicht die Richtung vorgeben.»
Und an Tessa gewandt: «Dann erinnern Sie sich mal. Sie sind bis hierher gefahren?»
Tessas Miene war wie versteinert. Sie nickte.
«Haben Sie hier geparkt?»
«Das weiß ich nicht mehr. Der Weg war in einem besseren Zustand, nicht so tief verschneit. Ich bin bis ans Ende gefahren.»
D.D. deutete in die Runde. «Kommen Ihnen einzelne Bäume oder Sträucher bekannt vor?»
Tessa zögerte und begann wieder zu zittern. «Dahinten das Wäldchen vielleicht», antwortete sie schließlich und zeigte mit beiden gefesselten Händen darauf. «Ich bin mir allerdings nicht sicher. Der frische Schnee … es ist, als hätte man eine Tafel blankgewischt. Alles sieht irgendwie gleich und trotzdem anders aus.»
«Wir haben vier Stunden Zeit», sagte D.D. unwirsch. «Danach sind Sie wieder hinter Gittern, so oder so. Ich schlage vor, Sie schauen sich aufmerksam um, denn wenn Sie Ihre Tochter wirklich zurückholen wollen, haben Sie nur diese eine Chance.»
Endlich zeigte Tessa eine Regung im Gesicht, eine Art Nervenkampf, der schwer zu deuten war. Vielleicht empfand sie so etwas wie Reue. D.D. konnte ihren Anblick nicht länger ertragen und wandte sich ab, die Arme um die Brust geschlungen.
«Besorg ihr einen Mantel», flüsterte sie Bobby zu.
Er hatte schon eine Jacke zur Hand und reichte sie der Gefangenen. D.D. hätte fast laut aufgelacht. Es war eine schwarze Daunenjacke mit einem Abzeichen der Bostoner Polizei, wahrscheinlich aus dem Kofferraum eines Streifenbeamten. Weil Tessa mit den gefesselten Händen nicht in die Ärmel kam, legte er sie ihr über die Schulter und zog vorn den Reißverschluss zu.
«Ein Häftling und ehemaliger State Trooper in einer Jacke der Bostoner Polizei», kommentierte D.D. «Passt wie die Faust aufs Auge.»
D.D. kehrte zu ihrem Wagen zurück. Wie zum Ausdruck ihrer bösen Vorahnungen zogen dunkelgraue Wolken am Horizont auf.
Es wird schneien , dachte sie und wünschte sich an einen anderen, freundlicheren Ort.
Zwölf Minuten später setzte sich die Gruppe in Bewegung. Tessa ging vorneweg, rechts und links von ihr Bobby und D.D. Das Hundeteam folgte, und der Pulk der Officer bildete die Nachhut. Die Hunde blieben vorerst angeleint. Sie hatten ihren Einsatzbefehl noch nicht erhalten, zogen aber schon eifrig an den Leinen.
Schon nach zwanzig Metern mussten sie das erste Mal anhalten. Im tiefen Schnee und mit gefesselten Füßen war es für Tessa kaum möglich, einen Schritt vor den anderen zu setzen. Auch wenn es D.D. nicht passte, führte kein Weg daran vorbei, der Gefangenen die Fußfesseln abzunehmen.
Tessa steuerte auf eine Baumgruppe zu. Sie ging darum herum und schaute sich um, die Stirn gerunzelt. Dann betrat sie den Hain, schüttelte aber nach wenigen Schritten den Kopf und kehrte zurück. Nach drei weiteren Fehlversuchen war eine Stelle erreicht, an die sich Tessa zu erinnern schien.
Es war wiederum ein kleine Baumgruppe, darin ein großer grauer Felsblock. Zielsicher, wie es schien, schritt sie darauf zu und deutete ein Kopfnicken an. Die anderen schlossen auf und verteilten sich um den Fels. Quizo gab ein tiefes Knurren von sich, als hätte er bereits Witterung aufgenommen.
Niemand sagte ein Wort. Zu hören war nur der unter den Schuhen knirschende Schnee und das Hecheln der Hunde.
Tessa ging weiter und trat wieder aus dem Hain hinaus ins Freie, gefolgt von den anderen. Es ging nun an einem kleinen Wasserlauf entlang, erkennbar nur als lange schmale Senke im Schnee, und weiter in Richtung auf ein Wäldchen.
«Eine ziemliche Strecke mit einer Leiche im Gepäck», murmelte D.D.
Bobby warf ihr einen Blick zu; er schien dasselbe gedacht zu haben.
Tessa aber hatte einen Schritt zugelegt. Ihre Miene verriet düstere Entschlossenheit und
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