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Wer stirbt, entscheidest du

Wer stirbt, entscheidest du

Titel: Wer stirbt, entscheidest du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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stammt also von Sophie Leoni?», drängte D.D. zu erfahren.
    «Von einem etwa sechsjährigen Kind», antwortete Ben. «Genaueres wird die Laboruntersuchung ergeben. Hilfreich wäre es, wenn wir hier noch weitere Schädel- oder Kieferteile fänden.»
    Mit anderen Worten, die Sprengsätze hatten die Leiche regelrecht zerfetzt, dachte D.D. Eine Schneeflocke trudelte herab, gefolgt von einer zweiten, einer dritten.
    Alle schauten zum Himmel hinauf, an dem dunkelgraue Wolken aufgezogen waren.
    «Mist», platzte es aus Ben heraus. «Schafft Planen her», rief er seinen Mitarbeitern zu. «Wir müssen alles abdecken, schnell.»
    Er eilte davon. D.D. zog sich von der Lichtung zurück. Sie lehnte sich an einen Baumstamm und begann zu würgen.
    Was hatte Tessa gesagt? Das, was sie, D.D., für ihr noch ungeborenes Kind empfinden würde, sei nichts im Vergleich zu den Gefühlen in einem Jahr und im Jahr darauf. Sechs Jahre einer solchen Liebe. Sechs Jahre …
    Wie konnte eine Frau … eine Mutter …
    Wie war es möglich, dass sie ihr Kind zu Bett brachte und im nächsten Augenblick nach einer Stelle suchte, an der sie es würde verscharren können? Wie war es möglich, der sechsjährigen Tochter einen Gutenachtkuss zu geben und kurz darauf Sprengsätze an ihrem Körper anzubringen?
    Ich liebe meine Tochter , hatte Tessa gesagt. Ich liebe meine Tochter.
    D.D. würgte. Bobby war bei ihr. Sie spürte, wie er ihr die Haare von den Wangen strich. Er reichte ihr eine Wasserflasche. Sie spülte den Mund aus und hob das heiße Gesicht, um es von den fallenden Flocken kühlen zu lassen.
    «Komm», sagte er leise. «Wir gehen zum Wagen zurück. Du musst dich jetzt ausruhen, D.D. Es kommt alles wieder in Ordnung. Keine Sorge.»
    Er nahm sie bei der Hand und führte sie durch den Wald. Lügner, dachte sie und trottete entmutigt neben ihm her. Als könne nach einer solchen Katastrophe wie der soeben erlebten jemals alles wieder in Ordnung kommen.
    Sie mussten sich beeilen, um die Stadt zu erreichen, ehe die Landstraßen unpassierbar waren. Und in die Zentrale zurückgekehrt, würden sie sich wahrscheinlich einer Pressekonferenz stellen müssen. Also höchste Zeit, sich ein paar Gedanken zu machen. Gute Nachricht: Wir haben, wie es scheint, den Leichnam von Sophie Leoni gefunden. Schlechte Nachricht: Die Mutter – Polizistin und mutmaßliche Mörderin ihres Gatten und ihrer Tochter – ist uns entwischt.
    Bobby öffnete seiner Kollegin die Beifahrertür. D.D. rutschte auf den Sitz und fühlte sich so elend, dass sie am liebsten auf der Stelle ihren Job quittiert hätte. Sergeant Detective D.D. Warren war auf ganzer Linie gescheitert. Sergeant Detective D.D. Warren, selbst bald Mutter, hatte das Kind nicht retten können. Was bedeutete dieser Fall einer allseits wertgeschätzten Streifenpolizistin, die ihr eigenes Kind getötet, verscharrt und in die Luft hatte fliegen lassen, für eine werdende Mutter, die für die Strafverfolgung arbeitete? Wie zum Teufel sollte sich D.D. dazu verhalten?
    Sie hätte nicht schwanger werden dürfen. Sie war nicht stark genug dafür. Ihre Fassade bröckelte, und darunter zeigte sich nichts als Verzweiflung. All die Mordopfer, die ihr im Laufe der Jahre zu Gesicht gekommen waren. Die Kinder, die es nicht nach Hause zurückgeschafft hatten. Die gleichgültigen Mienen von Eltern, Verwandten oder Nachbarn, die sich an ihnen vergangen hatten.
    Was für eine entsetzliche Welt, in der man lebte. D.D. versuchte, Morde aufzuklären, nur um sich anschließend mit dem nächsten Verbrechen zu befassen. Kinderschänder wegzuschließen oder ertragen zu müssen, dass ein Mann, der seine Frau schlug, wieder auf freien Fuß gesetzt wurde. D.D. war dazu verurteilt, Opfer aufzuspüren, die Überreste ungeliebter oder von Anfang an ungewollter Kinder.
    Sie hatte Sophie zu retten versucht, hatte es diesmal schaffen wollen, aber dann …
    «Pssst.» Bobby streichelte ihr Haar.
    Weinte sie? Vielleicht, jedenfalls nicht genug. Sie drückte die tränennasse Wange auf seine Schulter, spürte, wie er zusammenzuckte, als sie mit den Lippen seine Haut berührte und Salz schmeckte. Dann schien es das Natürlichste auf der Welt zu sein, den Kopf zu heben und mit den Lippen nach seinem Mund zu suchen. Er wich nicht zurück. Stattdessen spürte sie, wie er ihre Schultern ergriff. Und so küsste sie ihn, den Mann, der einmal ihr Liebhaber gewesen war, einen der wenigen Menschen, in denen sie eine Stütze fand.
    Für einen Moment war die

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