Wer stirbt, entscheidest du
häuslicher Unfrieden zu verfahren ist.
Zuerst schaut man sich rasch am Tatort um, gefasst auf potenzielle Gefahren, die es sofort in den Griff zu bekommen gilt.
Wer ist sonst noch in der Wohnung? Darf ich mich mal im Haus umsehen? Ist das Ihre Waffe, Trooper? Haben Sie noch andere Waffen hier im Haus? Ich muss Sie auch um Ihr Dienstkoppel bitten. Langsam ablegen … Danke. Ich nehme den Gürtel jetzt an mich. Gehen Sie bitte in den Wintergarten. Nehmen Sie doch Platz und bewegen Sie sich nicht vom Fleck. Bin gleich wieder bei Ihnen.
Ist der Tatort gesichert, untersucht man die Tatbeteiligte, wenn sie verletzt ist. Unterstellt wird zu diesem Zeitpunkt nichts, weder Täter- noch Opferschaft. Vor einem steht lediglich eine verletzte Person, die entsprechend behandelt werden muss.
Weibliche Person hat aufgeplatzte Lippen, ein blaues Auge, Druckstellen am Hals und eine blutende Platzwunde rechts oben an der Stirn.
Viele Frauen, die geschlagen werden, behaupten, es sei nichts. Sie bräuchten keinen Krankenwagen. Sie wollten jetzt bitte allein gelassen werden und kämen ohne Hilfe zurecht.
Ein gut ausgebildeter Polizist ignoriert solche Aussagen. Die Hinweise auf eine Straftat sprechen für sich und setzen das Räderwerk der Justiz in Gang. Mag sein, dass die verletzte Frau Opfer einer Gewalttat ist und trotzdem auf eine Anzeige verzichtet. Aber vielleicht ist sie Täter und hat sich die Verletzungen zugezogen, als sie über die noch unbekannte Person hergefallen ist, das heißt, sie wäre zur Rechenschaft zu ziehen. Ihre Verletzungen und alles, was sie sagt, müssten dokumentiert werden, denn es könnte ja sein, dass die noch unbekannte Person rechtliche Schritte einleitet. Unterstellt wird immer noch nichts. Der Trooper informiert die Einsatzleitung, fordert Verstärkung an und lässt einen Notarzt kommen.
Kollegen in Uniform treffen ein. Sanitäter. Sirenen heulen, und Streifenwagen rasen durch den engen Trichter der Innenstadt, während neugierige Nachbarn vor dem Haus zusammenlaufen.
Bald geht der Trubel los. Umso wichtiger ist es für die erste Einsatzkraft vor Ort, dass sie alles festhält. Sie muss dokumentieren, dokumentieren und nochmals dokumentieren. Sie sieht sich jetzt am Tatort gründlicher um und macht erste Fotos.
Männliche Leiche, Ende dreißig, schätzungsweise eins achtzig, um die hundert Kilo. Drei Einschusswunden im Brustbereich. Circa einen halben Meter links neben dem Küchentisch auf dem Rücken liegend.
Zwei umgekippte Holzstühle. Darunter grüne Glasscherben. Eine zerbrochene grüne Flasche mit Heineken-Etikett liegt fünfzehn Zentimeter links vom Küchentisch am Boden.
Eine Sig-Sauer-Halbautomatik auf rundem Holztisch, Durchmesser circa ein Meter. Sichergestellt. Magazin entnommen, Schusskammer geleert, eingetütet, beschriftet.
Uniformierte Kollegen werden mir assistieren, Nachbarn befragen und das Grundstück sichern. Um die Verletzte, die im Wintergarten Platz genommen hat, kümmert sich ein Notarzt.
Eine Ärztin fühlt meinen Puls, strahlt mir mit einer Taschenlampe in die Augen und tastet den Kopf nach eventuellen Knochenbrüchen ab. Sie bittet mich, die Haare zurückzustreichen, damit sie meine Stirn behandeln kann. Mit einer Pinzette entfernt sie einen grünen Glassplitter aus der Wunde, der, wie sich später zeigen wird, von der Bierflasche stammt.
«Wie fühlen Sie sich, Ma’am?»
«Der Kopf tut weh.»
«Erinnern Sie sich, ohnmächtig geworden zu sein?»
«Der Kopf tut weh.»
«Ist Ihnen übel?»
«Ja.» Der Magen rebelliert. Ich versuche, an mich zu halten, die Schmerzen zu ertragen, will nicht wahrhaben, was geschehen ist …
Die Ärztin bemerkt die wachsende Beule am Hinterkopf.
«Was ist da passiert, Ma’am?»
«Was meinen Sie?»
«Sie haben da eine Schwellung. Kann es doch sein, dass Sie das Bewusstsein verloren haben? Sind Sie gestürzt?»
Ich schaue die Ärztin an. «Wen liebst du?», flüstere ich.
Sie antwortet nicht.
Als Nächstes kommt es zu einer ersten Vernehmung. Ein guter Trooper wird notieren, was die vernommene Person sagt und wie sie es sagt. Menschen unter Schock reden oft wirr und ohne Zusammenhang. Manche Opfer zeigen dissoziative Symptome. Sie sprechen emotionslos und abgehackt über ein Ereignis, das für sie schon gar nicht mehr stattgefunden hat. Es gibt aber auch die eingefleischten Lügner, die nur so tun, als plapperten sie dissoziativ drauflos.
Jeder Lügner treibt es früher oder später zu weit. Nennt das eine oder andere
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