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Wer stirbt, entscheidest du

Wer stirbt, entscheidest du

Titel: Wer stirbt, entscheidest du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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Trampoline standen und in den Gärten hinterm Haus Wäscheleinen hingen.
    Hübsch, wenn man Kinder hat, dachte ich, hörte aber gleich wieder zu denken auf.
    Weil ich vor lauter Schneegeriesel die Hausnummern nicht erkennen konnte, fuhr ich an der Zieladresse vorbei und trat dann so heftig in die Bremse, dass mein Wagen ins Schlingern geriet. Mit der Handbremse nachhelfend, drehte ich den Karren um hundertachtzig Grad. Ein Reflexmanöver, das meine Nerven beruhigte.
    Training. Darauf kam es letztlich an.
    Ganoven trainierten nicht.
    Ich sehr wohl.
    Ich parkte meinen Pick-up am Straßenrand. Dort fiel er zwar sofort ins Auge, war aber so leichter erreichbar für einen schnellen Abflug. Brians Glock steckte in meinem Hosenbund. Die Scheide mit dem KA-BAR-Messer schnallte ich um den Unterschenkel.
    Dann lud ich die Flinte. Wenn man jung, weiblich und nicht besonders groß ist, kann einem so ein Ding wertvolle Dienste leisten. Damit erlegt man einen Wasserbüffel, auch ohne besonders genau gezielt zu haben.
    Ich zupfte an den schwarzen Handschuhen, zog die schwarze Kappe tiefer in die Stirn. Mir war kalt, doch kam ich mir irgendwie taub und entrückt vor. Ich hörte ein Rauschen in den Ohren, mein eigenes Blut, wie ich annahm, in Wallung gebracht von einem Zuviel an Adrenalin.
    Kein Licht. Meine Augen gewöhnten sich an die Dunkelheit, die es so nur auf abgelegenen Landstraßen gibt. Dann eilte ich durch das Wäldchen.
    Die Bewegung tat mir gut nach den vierundzwanzig Stunden im Krankenhausbett, gefolgt von vierundzwanzig Stunden Haft. Endlich wieder im Freien und mit einem klaren Ziel vor Augen.
    Irgendwo da draußen war meine Tochter, die von mir gerettet werden musste. Ich würde den Mann, der sie entführt hatte, töten und Sophie nach Hause bringen.
    Es sei denn …
    Ich dachte nicht weiter.
    Das Wäldchen wurde lichter. Ich erreichte einen tief verschneiten Vorgarten, blieb stehen und betrachtete das flache, weit ausladende Ranchgebäude. Alle Fenster waren dunkel, kein einziges Licht brannte. Es war weit nach Mitternacht. Anständige Leute schliefen jetzt.
    Aber meine Zielperson war ja alles andere als anständig, oder?
    Bewegungsmelder. Damit musste ich rechnen. Womöglich würden schon bei meinem nächsten Schritt Scheinwerfer aufflammen. Wahrscheinlich waren auch Fenster und Türen auf die eine oder andere Art gesichert.
    Killer lebten ständig in der Angst, dass ihnen ein anderer Killer nachstellte.
    Unbemerkt ins Haus einzudringen würde wahrscheinlich nicht möglich sein.
    Okay, ich musste ihn also nach draußen locken.
    In der Einfahrt stand ein Wagen, ein schwarzer Cadillac Esplanade mit allem Drum und Dran. Natürlich. Mit dem größten Vergnügen rammte ich den Flintenschaft durch das Fenster auf der Fahrerseite.
    Sofort schrillte Alarm. Ich sprang um die Hausecke herum. Strahler leuchteten auf und verwandelten die Fassade und den Vorgarten in ein blendend weißes Relief. Mit dem Rücken zur Wand näherte ich mich vorsichtig der Rückseite des Hauses, hinter der, wie ich annahm, Purcell auftauchen würde. Ich hielt die Luft an.
    Ein Killer wie Purcell war mit Sicherheit nicht so töricht, in Unterwäsche nach draußen in den Schnee zu rennen. Aber er würde es gewiss auch nicht zulassen, dass ihm jemand das Auto klaute. Er würde kommen. Bewaffnet. Und auf alles gefasst.
    Es dauerte eine volle Minute. Dann hörte ich ein leichtes Quietschen, vermutlich vom Fliegengitter der Hintertür.
    Der Flintenschaft lag locker in meiner linken Armbeuge. Mit der Rechten zog ich das Messer.
    Es wäre das erste Mal für mich, mit solchen Mitteln, so nah am Mann und aus persönlichen Beweggründen zu Werke zu gehen.
    Ich hörte wieder auf zu denken.
    Trotz des heulenden Alarms hörte ich alles: das Knirschen von Schnee unter seinem ersten Schritt, dem zweiten. Ich warf einen Blick auf die andere Seite für den Fall, dass noch jemand nach draußen kam. Dass man mich in die Zange zu nehmen versuchte.
    Doch es waren nur die Schritte von hinten zu hören, nur darauf musste ich achten.
    Ich atmete tief durch die Nase ein, um meinen Puls zu drosseln. Was nun passieren sollte, war nicht mehr aufzuhalten. Es würde geschehen, so oder so.
    Ich ging in die Hocke, das Messer in der Hand.
    Ein Bein tauchte auf. Ich sah schwarze Winterstiefel, eine dicke Jeans, den Saum eines roten Flanellhemdes.
    Ich sah eine Pistole vor dem Schenkel des Mannes.
    «John Stephen Purcell?», fragte ich leise.
    Er fuhr mit dem Kopf herum, die dunklen

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