Wer stirbt, entscheidest du
Diät. Sechs proteinreiche Mahlzeiten am Tag», fuhr Jessica munter fort. «Dreißig Gramm Protein pro Mahlzeit im Abstand von zwei bis drei Stunden. Wer das durchziehen will, braucht viel Zeit und Disziplin, aber die hatte er. Das Trainingsprogramm bestand aus einer Stunde Herz-Kreislauf-Training, gefolgt von einer Stunde Gewichtheben.»
«Täglich?» Bobby joggte, genauer: Er hatte gejoggt – bis zu Carinas Geburt. Er hielt sich den Notizblock vor den Bauch und meinte spüren zu können, dass der Hosenbund ein bisschen spannte.
«Fünf- bis siebenmal in der Woche Herz-Kreislauf und fünfmal Krafttraining. Ich habe ihn auf die Hunderter angesetzt. Ist ganz toll bei ihm angesprungen.»
«Hunderter?»
«Mit kleinen Gewichten arbeiten und zusehen, dass man bis zu hundert Wiederholungen schafft. Das klappt natürlich nicht auf Anhieb, aber wenn man dranbleibt, ist es in rund vier Wochen zu schaffen. Nach zwei Monaten wollte Brian sogar, dass ich ihm mehr Gewicht auflege. Erstaunlich. Ich meine, die meisten Kunden hier geben gern an, aber Brian hatte wirklich was drauf.»
«Er scheint im vergangenen Jahr tatsächlich mächtig zugelegt zu haben», meinte Bobby.
«An Muskeln, ja», präzisierte Jessica. «Am Oberarm sage und schreibe sieben Zentimeter Umfang. Wir haben alle zwei Wochen nachgemessen, ausgenommen natürlich die Zeit, in der er nicht kommen konnte.»
«Sie meinen, wenn er auf See war?»
«Ja. Nur ungefähr zwei Monate am Stück. Nach dem ersten Mal kam er ziemlich erschöpft zurück, und es war fast alles weg, was er aufgepackt hatte. Vor der zweiten Reise habe ich ihm ein spezielles Programm zusammengestellt, mit allem Drum und Dran – Diät, Herz-Kreislauf, Gewichte. Auf dem Schiff hatte er die Möglichkeit zum Trainieren, es gab also keine Ausrede. Und er wurde besser.»
«Brian arbeitete also offenbar hart an sich, nicht nur hier mit Ihnen, sondern auch auf dem Schiff, wenn er unterwegs war. Können Sie mir sagen, was ihn dazu angetrieben hat?»
Jessica zuckte mit den Achseln. «Um besser auszusehen. Sich besser zu fühlen. Er war ein sportlicher Typ. Als er hier anfing, sagte er, er wolle fitter werden, um besser Ski und Fahrrad fahren zu können. Ich schätze, er war ziemlich ehrgeizig.»
Bobby legte den Notizblock ab und betrachtete die junge Frau. «Und was hat er sich diesen Ehrgeiz hier bei Ihnen kosten lassen?», fragte er und deutete mit kreisender Handbewegung auf den schick eingerichteten Raum in dem offenbar bestens ausgestatteten Fitnessstudio. «Wie hoch ist der Wochenbeitrag?»
«Zweihundert», antwortete sie lässig. «Aber das dürfte einem die eigene Gesundheit wert sein.»
«Zweihundert pro Woche. Und was kommt durchschnittlich an Kosten für Einzelstunden, Nahrungsergänzungsmittel und den zusätzlichen Kram hinzu?»
«Wer Resultate will, muss sich dafür ins Zeug legen», erwiderte Jessica.
«Brian hat sich ins Zeug gelegt. Und Resultate erzielt. Warum hat er sich weiter geschunden, obwohl er doch schon achtzehn Kilo Muskelmasse zugelegt hatte? Was fehlte ihm noch?»
Jessica musterte ihn neugierig. «Es ging ihm nicht nur um die Muskeln. Nun ja, Brian war von Natur aus eher klein gebaut. Und kleinere Männer … nun ja …»
Bobby verzog das Gesicht, stellvertretend beschämt für alle Männer.
«Wenn ein kleinerer Mann seine großen Resultate nicht wieder verlieren will, muss er weiter an sich arbeiten. Tag für Tag. Trainieren und sich entsprechend ernähren. Sonst bilden sich die Muskeln wieder zurück. Brian wäre bald von hundert auf achtzig Kilo zurückgefallen.»
Bobby, selbst ein eher kleiner Mann, hörte nicht gern, was sie da sagte. «Scheint mit viel Arbeit verbunden zu sein. Insbesondere für einen Vater, der auch noch einen Job hat. Ich kann mir vorstellen, dass ihm manchmal die Zeit knapp wurde. Hat er vielleicht auch … zu anderen Mitteln gegriffen?»
Jessica krauste die Stirn. «Wie meinen Sie das?»
«Es gibt doch Medikamente, die den Muskelaufbau beschleunigen.»
Die Stirnfalten vertieften sich. «Sie meinen Steroide.»
«Ich frage nur.»
Sie schüttelte den Kopf. «Davon halte ich nichts. Wenn mir aufgefallen wäre, dass er sich dopt, hätte ich ihn vor die Tür gesetzt und auf die zweihundert in der Woche verzichtet. Ich war mal mit einem Typen zusammen, der auf die Weise nachgeholfen hat. Diese eine Erfahrung reicht mir.»
«Waren Sie Brians Geliebte?»
«Nein. Sie haben mich missverstanden. Ich meinte, der Umgang mit solchen Typen
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