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Wer stirbt, entscheidest du

Wer stirbt, entscheidest du

Titel: Wer stirbt, entscheidest du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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feuerte sie mit unmissverständlichen Gesten an.
    Es hätte nicht viel gefehlt, und sie wären übereinander hergefallen. Dumm für sie, dass wir schon nach wenigen Minuten den Knast erreichten.
    Der Bus bog in die Verladestation ein. Hinter uns senkte sich ein schweres Metallrollo. Gleich darauf gingen die Fahrzeugtüren auf.
    Zuerst stiegen die Männer aus und watschelten aneinandergekettet im Gänsemarsch auf die Schleuse zu. Wenig später waren wir an der Reihe.
    Den Bus zu verlassen war gar nicht so leicht im Verbund mit den anderen Frauen. Ein falscher Tritt, und es hätte womöglich alle von den Beinen gerissen. Ich war die einzige Weiße, die zudem neue Kleider trug, und fiel entsprechend auf in der Kette, deren Glieder allesamt aus der Prostitutions- und Drogenszene zu stammen schienen. Die gepflegteren von ihnen arbeiteten wahrscheinlich für Geld, die weniger gepflegten für Stoff.
    Man konnte nicht nur sehen, sondern auch riechen, dass sie die ganze Nacht über kein Auge zugemacht hatten.
    Interessanterweise nahm die Frau rechts von mir – sie hatte orangefarbene Haare – Anstoß an meiner Duftnote und rümpfte die Nase. Wahrscheinlich roch ich noch nach Krankenhaus. Das Mädchen zu meiner Linken (achtzehn, neunzehn Jahre alt?) kommentierte meinen Anblick mit den Worten: «Süße, wie wär’s, wenn du ihm das nächste Mal einfach die Kohle gibst? Vielleicht nimmt er dich dann weniger hart ran.»
    Die Schleuse ging hinter uns zu. Links öffnete sich klappernd eine andere Tür.
    Dahinter lag die Zentrale, besetzt von zwei uniformierten Beamten. Ich senkte den Kopf aus Angst, erkannt zu werden.
    Schulter an Schulter, Hüfte an Hüfte ging es weiter durch einen langen Korridor, vorbei an schmutzig gelben Mauern aus Gasbetonsteinen. Es roch wie in allen Behörden: nach Schweiß, Putzmitteln und Phlegma.
    Schließlich erreichten wir die Sammelstelle, bekannt auch als «dirty hold», einen länglichen Käfig ähnlich dem im Gericht, darin eine harte Bank, eine metallene Kloschüssel und ein Waschbecken. Zwei Telefone. Es könnten nur R-Gespräche geführt werden, sagte man uns. Der Empfänger würde automatisch darauf hingewiesen, dass der Anruf aus dem Gefängnis von Suffolk County komme.
    Man nahm uns die Handschellen ab. Der Chef-Schließer ging. Die Metalltür fiel ins Schloss, und das war es fürs Erste.
    Ich massierte meine Handgelenke und bemerkte, dass ich die Einzige war, die das tat. Die anderen standen vor den Telefonen Schlange, um irgendjemanden anzurufen, der sie vielleicht herausboxen konnte.
    Ich stellte mich nicht an. Ich saß auf der harten Bank und beobachtete die Nutten und Junkies, die im Unterschied zu mir draußen offenbar noch Menschen hatten, auf die sie sich verlassen konnten.
    Mein Name wurde gerufen. Ich hatte damit gerechnet, bekam es aber trotzdem kurz mit der Angst zu tun. Meine Hände klammerten sich um die Sitzkante. Ich war nicht sicher, ob ich mich davon losreißen konnte.
    Bis hierher hatte ich es geschafft. Aber jetzt sollte ich in ein Räderwerk geraten, dass die Polizistin Tessa Leoni in einen Häftling Nummer 55669021 verwandeln würde.
    Ich sträubte mich dagegen. Ich wollte das nicht zulassen.
    Der Chef-Schließer rief mich ein zweites Mal. Er stand auf der anderen Seite der Metalltür und starrte mir durch den Fensterausschnitt entgegen. Er wusste wahrscheinlich Bescheid über mich als diejenige, die ihren Mann erschossen und vermutlich auch ihre sechsjährige Tochter aus dem Weg geräumt hatte. Für ihn und seine Kollegen war ich ein willkommenes Hassobjekt.
    Ich zwang mich, aufzustehen und den Kopf zu heben.
    Haltung bewahren, dachte ich verzweifelt. Nur nicht erkennen lassen, dass man schwitzt.
    In der Tür legte mir der Chef-Schließer wieder Handschellen an. Er packte mich beim Ellbogen. Sein Griff war fest, sein Gesicht ohne jeden Ausdruck.
    «Hier lang», sagte er und führte mich nach links.
    Wir gingen in die Zentrale zurück, wo ich eine Reihe von Standardfragen beantworten musste: Größe, Gewicht, Geburtsdatum, nächste Angehörige, Kontaktadressen, Telefonnummern, besondere Merkmale und so weiter. Dann wurden vor der Wand aus Gasbetonsteinen Fotos von mir gemacht mit einem Schild, auf dem meine neue Identität als Nummer notiert war. Ein kleiner Abzug davon kam auf meinen neuen Ausweis, den ich jederzeit bei mir tragen müsse, wie man mir sagte.
    Zurück in den Korridor. Dann ging es in einen Raum, wo ich mich splitternackt ausziehen musste. Eine

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