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Wer stirbt, entscheidest du

Wer stirbt, entscheidest du

Titel: Wer stirbt, entscheidest du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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Bedienstete leuchtete mir mit einer Taschenlampe sämtliche Körperöffnungen aus. Ich bekam meine Knastkluft – eine braune Hose, ein Hemd gleicher Farbe und weiße Turnschuhe, die in Erinnerung an den ersten weiblichen Sheriff von Suffolk County «Air Cabral» genannt wurden. Außerdem erhielt ich einen durchsichtigen Kulturbeutel, darin eine winzige Zahnbürste, ein Deodorant, Shampoo und Zahnpasta, alles in kleinen durchsichtigen Verpackungen, um zu verhindern, dass Drogen darin versteckt wurden. Die Zahnbürste war so klein, dass sie nicht als Stoßwaffe zweckentfremdet werden konnte.
    Alles andere – Schaumfestiger etwa, eine Handcreme oder Lippenbalsam – müsse ich im hauseigenen Shop kaufen, sagte man mir. Labello koste ein Dollar zehn. Die Handcreme zwei einundzwanzig. Dort gebe es auch bessere Schuhe zwischen achtundzwanzig und siebenundvierzig Dollar.
    Anschließend ging es in die medizinische Station. Eine Krankenschwester begutachtete mein blaues Auge, die geschwollene Wange und die Platzwunde auf der Stirn. Während sie mir die obligatorische Impfung zur Vorbeugung gegen TB verabreichte, stellte sie mir allgemeine Fragen zu meiner gesundheitlichen Verfassung. Besonders interessiert war sie an meinem Geisteszustand. Wahrscheinlich wollte sie herausfinden, ob ich zu Überreaktionen neige und mich womöglich am Bettlaken aufknüpfen könnte.
    Die Krankenschwester unterzeichnete ihr Protokoll. Dann führte mich der Chef-Schließer durch den langen Gang auf einen Fahrstuhl zu. Es ging in den neunten Stock, den Trakt für weibliche Untersuchungsgefangene. Ich hatte die Wahl: Flügel 1-9-1 oder Flügel 1-9-2. Ich entschied mich für 1-9-1.
    In beiden Flügeln, bestehend aus insgesamt sechzehn Zellen, saßen sechzig bis achtzig Frauen ein. Zwei bis drei Frauen pro Zelle.
    Ich teilte meine mit nur einer Frau namens Erica Reed. Sie schlief oben im Doppelbett und hatte ihre Habseligkeiten auf der unteren Matratze deponiert. Ich durfte mich auf einem Brett häuslich einrichten, das auch als Tisch diente.
    Wieder fiel eine Metalltür hinter mir ins Schloss. Erica kaute an ihren Fingernägeln und entblößte eine Reihe fauler Zähne. Sie war offenbar drogensüchtig, was auch ihr ausgemergeltes, bleiches Gesicht und die strähnigen braunen Haare erklärte.
    «Bist du der Cop?», fragte sie neugierig zur Begrüßung. «Hat sich rumgesprochen, dass wir einen Cop kriegen. Das bist du doch, oder?»
    Mir schwante, in noch größeren Schwierigkeiten zu stecken als gedacht.

[zur Inhaltsübersicht]
    22. Kapitel
    Lieutenant Colonel Gerard Hamilton war ganz und gar nicht begeistert davon, mit D.D. und Bobby sprechen zu müssen, fügte sich aber in sein Schicksal. Einer seiner Trooper war in einen «unerfreulichen Vorfall» verwickelt, was natürlich unvermeidliche Ermittlungen nach sich zog.
    Der Höflichkeit halber suchten D.D. und Bobby ihn in seinem Büro auf. Er schüttelte ihr die Hand und begrüßte Bobby mit einem freundschaftlichen Klaps auf die Schulter. Die beiden kannten sich offenbar, und D.D. war froh, Bobby an ihrer Seite zu haben. Hamilton wäre ihr allein gegenüber wahrscheinlich weniger kollegial.
    Sie ließ Bobby den Vortritt und musterte, als er das Wort an Hamilton richtete, dessen Büro. Die Massachusetts State Police war bekannt für ihre geradezu militärische Rangordnung. Im Unterschied zu D.D.’s recht bescheiden eingerichtetem Büro erinnerte Hamiltons Arbeitsplatz an die Schaltzentrale eines aufstrebenden Politikers. An den holzvertäfelten Wänden hingen schwarz gerahmte Fotos, die ihn an der Seite fast aller politischen Größen des Landes zeigten, darunter ein besonders großes Foto, auf dem er und Scott Brown, der republikanische Senator Massachusetts’, in ungezwungener Haltung zu sehen waren. D.D. entdeckte ein Diplom der Universität Amherst sowie ein Zertifikat der FBI-Academy. An der Wand hinter dem Schreibtisch zeugten gewaltige Hirschgeweihe von Hamiltons Jagderfolgen, und wen das noch nicht überzeugte, brauchte bloß einen Blick auf ein Foto zu werfen, auf dem er sich in waidmannsgrüner Hose und mit orangefarbener Weste vor einem gerade erlegten Wildschwein präsentierte.
    D.D. hielt sich nicht lange mit den Fotos auf und beschloss, Baby Warren vegetarisch zu erziehen. Fleisch – bäh! Sehr viel freundlicher klang das Wort «Müsli».
    «Natürlich kenne ich Trooper Leoni», sagte Hamilton, ein sehr adrett aussehender älterer Officer. Schlank, athletisch, dunkles Haar, an den

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