Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn
verkohlten Hölzer gesprungen und stand vor dem großen, glotzäugigen Götzen. Es war, als habe die Vernichtung der Insel ihn noch stolzer gemacht.
»Danke, Anne«, sagte Bäcker, als Anne ihm eine Axt gab. »Es ist merkwürdig, wie verrückt diese Welt an Symbolen hängt. Aber wenn sie dadurch friedlicher wird …«
Er legte eine Puppe, die größte, sie sollte ihn darstellen, dem Totem-Götzen vor die Füße und hackte ihr mit einem Hieb den Kopf ab. Anne stieß einen spitzen Schrei aus, dann umklammerte sie ihre Axt, schleifte die andere Puppe neben die geköpfte, holte aus und trennte auch ihr den weißbemalten Bastkopf vom Rumpf.
»Nun, Paul –«, sagte sie zitternd. Die dritte Puppe, die ihr Kind verkörperte, lag zwischen ihr und Bäcker. Ihre Augen weiteten sich, als Bäcker sie zurechtlegte und die Axt hob. »Es ist Paul!« schrie Anne auf.
Bäcker schloß die Augen, schwang die Axt, aber dann drehte er sich im Schwung um und ließ sie ins Leere sausen.
»Ich kann es nicht, Anne«, stammelte er. »Du hast recht … es ist Paul! Ich kann es nicht.«
Er lehnte die beiden geköpften Puppen an den Götzen, legte die Köpfe zwischen die Beine und warf dann die dritte Puppe wieder über seine Schulter. So kamen sie zu ihrem verbrannten Haus zurück, setzten sich – wie vor zwanzig Jahren – an den Rand des Hanges und blickten über das Meer. Die Strohpuppe lag zwischen ihnen.
»Wann fahren wir?« fragte Anne zaghaft.
»Morgen, um neues Material zu holen.«
»Du willst wieder von vorne anfangen?«
»Ja. Ich gebe nicht auf. Und du, Anne, auch nicht. Das weiß ich.«
»Nie, solange du da bist, Werner.«
Er schob die Puppe vor seine Füße und lachte rauh. »Das habe ich gern«, sagte er, und es sollte unbekümmert klingen. »Mit den Götzen die Zeit zurückzudrehen; aber die weiße Farbe in Blechbüchsen von den Weißen kaufen. Sieh dir das Gesicht an – guter Außenlack! Nein, Anne … ich gebe nicht auf! Diese Insel ist mein Paradies, schon allein weil du auf ihr bist …«
Am Abend saß Bäcker hinter seinem Funkgerät auf der Jacht und wartete. Er hatte mit Paul ausgemacht, daß sie abends von 23.15 bis 23.30 Uhr miteinander sprechen wollten. Schon Annes wegen hatten sie das vereinbart. Auch wenn sie es nicht offen zeigte, der Abschied von ihrem Sohn hatte ihr sehr zugesetzt.
»Er kann jeden Abend mit dir sprechen«, hatte Bäcker gesagt.
Und sie hatte ihn mit ihren großen braunen Augen angesehen und leise geantwortet: »Danke, Werner. Ich liebe dich …«
Einen schöneren Dank gab es nicht …
Pünktlich um 23.15 Uhr summte es in dem Lautsprecher. Ein Knacken und Rauschen, und dann ertönte Pauls Stimme im Verstärker, so nahe, als säße er neben ihnen:
»Hallo Viktoria-Eiland! Hallo! Hört ihr mich?«
»Wir hören dich, mein Junge«, sagte Bäcker. Er zog Anne an sich und war nicht erstaunt, daß sie jetzt weinte.
»Vater? Guten Abend.« Und dann, mit einem Beben in der Stimme: »Ist Mutter auch da?«
»Ja, mein Liebling!« rief Anne. »Ja, wie geht es dir?«
»Gut, Mutter. Und euch?«
»Sehr gut –«, antwortete Bäcker fest. »Wir haben heute einen richtig faulen Tag gehabt.«
Er drückte Annes Kopf an sich, weil sie aufschluchzte und Paul das nicht hören sollte.
»Erzähl mal von dir, Paul. Was macht Dubonnet?«
»Er ist netter, als ich erst dachte«, sagte Paul.
Es klang gut, und Bäcker und Anne merkten nicht, daß auch sie von Paul belogen wurden.
Denn es ging gar nicht gut auf der Pflanzung in Vaitahu.
V
Es begann schon am ersten Tag, nachdem Bäcker heimlich Tahuata, Dubonnets Insel, verlassen hatte.
Beim Frühstück stolperte einer der Boys über die vorstehende Kante einer Bodenplatte. Ein Stück Käse, das er gerade servierte, rutschte vom Tablett, und Dubonnet beugte sich vor und gab dem Boy wortlos eine schallende Ohrfeige.
Ebenso wortlos stand Paul auf, bückte sich, hob das Stück Käse vom Boden auf, drehte sich um und schleuderte es weit in den Park hinein. Dann griff er in die Tasche, holte ein Fünf-Franc-Stück heraus und legte es dem Boy auf das Tablett. Verblüfft starrte Dubonnet ihn an.
»Was ist 'n das?« fragte er.
»Raten Sie mal!« sagte Paul finster.
»Ihre Rätsel sind leicht.« Dubonnet wartete, bis sich der Boy im Laufschritt entfernt hatte, und legte dann seine breiten, dicken Hände auf den Tisch. »Wenn Sie das immer machen, junger Freund, werden Sie hier bald arm sein. Ganz davon abgesehen, daß die Moral meiner Dienerschaft
Weitere Kostenlose Bücher