Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn
eine Reihe Bäume fallen …«
Sie schliefen so fest, daß sie nicht hörten, wie sie Besuch bekamen. Erst als sie am frühen Morgen aufwachten und wie immer zum Baden hinunter zum Meer liefen, nackt und glücklich, sahen sie in der Lagune das Flugboot im trägen Wasser schaukeln.
Sie blieben stehen, Hand in Hand wie Kinder, und starrten hinüber zu dem silbern glitzernden Flugzeug. An der Böschung, in Schlafsacke verkrochen, lagen vier schlafende Gestalten.
»Capitaine Brissier vom II. Geschwader der Militärbasis Tahiti –«, sagte Bäcker tief atmend. »Anne, es ist soweit. Der Räumungsbefehl des Gouverneurs ist eingetroffen.« Er drehte Anne zu sich und sah sie groß an. »Ich überlasse die Entscheidung dir. Was willst du tun, Anne?«
»Schwimmen –«, sagte sie. »Ich freue mich auf das kühle Wasser.«
Sie riß sich los, warf die Arme hoch in die Luft und rannte ins Meer. Werner Bäcker blickte in den Himmel.
»Gott da droben –«, sagte er leise, »ich danke dir für diese Frau.«
Dann rannte er Anne nach in die Lagune. Wie ein großer weißer Fisch umschwamm sie bereits das Flugboot.
Es gab drei Dinge in Vaitahu, die Paul nicht verstand: die Frechheit, mit der Dubonnet seine Kunden betrog, und daß niemand es merkte; die Ungerechtigkeit, die überall herrschte und die jeder wie gottgewollt hinnahm; und das unerklärliche Benehmen der Mädchen, wenn sie Paul anstarrten, in seiner Nähe waren oder wenn er sie anlächelte, was er für höflich hielt. Daß er damit überall Verwirrung anrichtete, merkte er nicht.
Dubonnet war nach Sydney geflogen. Er hatte zum Abschied gesagt: »Mein lieber Paul, ich komme in acht Tagen wieder. Versprechen Sie mir, in dieser Zeit aus meinem Betrieb kein Kollektiv zu machen. Sehen Sie sich im Geschäft um, Monsieur Lagarde wird Sie unter seine Fittiche nehmen.«
Lagarde war der erste Direktor, ein höflicher, aber kalter Mensch, und er tat nach Dubonnets Abflug das beste, was er tun konnte: er ließ Paul Bäcker in Ruhe.
An einem Abend war plötzlich der Alte wieder da, der Vater des Boys, und sagte: »Komm mit, es will dich einer sprechen.« Er führte Paul auf eines der vielen kleinen, von den Chinesen übernommenen Wohnboote, die in der Lagune der Eingeborenensiedlung Reihe an Reihe im schmutzigen Wasser schaukelten.
Im Halbdunkel, nur eine mit buntem Papier überzogene Lampe brannte, stand Paul dann einem Mann gegenüber, den er kaum erkennen konnte. Er sah bloß die Umrisse einer Gestalt und hörte eine angenehme, dunkle Stimme. Der Gestank, der aus den Hunderten von Booten ausdünstete, war fürchterlich, die Armut, der Paul auf dem Weg hierher begegnet war, erschreckend.
»Sie sind ein guter Mensch«, sagte der Mann im Halbdunkel. »Wir wissen alles über Sie, Ihre Mutter, Ihren Vater. Sie haben die Ehre eines kleinen Hausboys beschützt – das ist in Ihren Augen nicht viel, für uns ist es ein Beweis, daß Sie ein Freund sind. Freunde sind selten.«
»Das stimmt.« Paul sah sich in dem niedrigen Raum um, der Boden schwankte leicht. Er kannte das von der Jacht und spreizte etwas die Beine. »Wir wollten allen Menschen freund sein, und trotzdem haben uns Menschen überfallen, denen wir nichts getan haben.«
»Ich weiß. Es ist eine religiöse Sache.« Der Mann im Halbdunkel hob die Hand. »Ich habe mit den Stämmen gesprochen. Sie werden auf der Insel, die Ihr Vater Viktoria-Eiland nennt, leben dürfen. Glauben Sie mir, es war ein härterer Kampf als gegen eine Armee.«
»Und Sie glauben, man hält sich daran?« fragte Paul mißtrauisch.
»Ich verspreche es Ihnen. Sie tragen unseren Dolch am Gürtel, Sie sind unser Freund. Aber ich brauche auch von Ihnen ein Versprechen.«
»Wenn ich es halten kann?«
»Vergessen Sie, daß Sie mit mir gesprochen haben. Aber ich wollte Sie sehen und Ihnen sagen, daß die Insel Ihnen gehört.«
Die Lampe erlosch wie von Geisterhand, jemand packte Paul von hinten und führte ihn ins Freie. Dort wartete der Vater des Boys und brachte Paul auf einem Kahn zurück zum Hafen.
»Wer war denn das?« fragte Paul, als er auf dem Kai stand. Der Alte verbeugte sich leicht.
»Der Dritte Kopf der Großen Sechs«, sagte er. »Eine große Ehre …«
Um 23.15 Uhr sprach Paul wieder mit seinem Vater über das Funkgerät. Er erzählte nichts von der Begegnung, er hatte sein Wort gegeben, zu schweigen, und Bäcker hatte ihn gelehrt, Versprechungen zu halten.
»Alles in Ordnung, Vater?« fragte Paul.
Bäcker sah zur Seite. Dort
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