Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn
wüstes Leben zahlt sich jetzt schrecklich aus. Und nun stellen Sie mal Ihre Antenne hoch, Paul: Dubonnet hat keinen Erben. Seine Frau starb vor vierzehn Jahren an einer Infektion. Seine einzige Tochter ertrank mit vier Jahren im Swimmingpool. Andere Verwandte existieren nicht. Dubonnet wäre bereit, seine Firma zu verkaufen und mit dem Erlös und seinem ganzen Vermögen eine Stiftung zu gründen. Eine Stiftung zur Bekämpfung und Erforschung unheilbarer Krankheiten. Dazu gehören Krebs, multiple Sklerose, Leukämie, die Parkinsonsche Krankheit und einige mehr.«
»Ausgerechnet Dubonnet«, sagte Bäcker verblüfft.
»Der Schlaganfall hat ihn vollkommen verwandelt. Er war früher, ganz ehrlich gesagt, als Mensch und Brötchengeber ein Schwein. Heute ist er nur noch eine armselige beatmete Hülle, eine menschliche Ruine, die von Tag zu Tag mehr abbröckelt. Das weiß er genau, und deshalb macht er jetzt eine Kehrtwendung um 180 Grad. Er will den früheren Dubonnet vergessen lassen. Merken Sie was, Paul?«
»Nein.«
»Ihr Vater hätte es längst gemerkt.«
Paul Bäcker blickte über das Meer. Die Mittagssonne brütete, die Luft flimmerte vor Hitze. Der Himmel hatte jenes verwaschene Blau angenommen, als würde aus ihm jede Farbe weggekocht.
Ich weiß genau, was er meint, dachte Bäcker. Aber ich tue ihm nicht den Gefallen und reagiere darauf. Was soll ich mit Dubonnets Firma? Vaters Geld wird nicht reichen, um sie zu kaufen, aber ich könnte einer der Hauptgesellschafter werden. Doch was hätte ich davon? Noch mehr Geld … totes Geld, denn auf Anne-Eiland spielen Bankkonten keine Rolle. Das Paradies kommt ohne Geldscheine aus.
»Mit einem schnellen, seetüchtigen, mit Stabilisatoren ausgestatteten Schiff könnten Sie unter Umständen einem neuen Seebeben davonschwimmen«, sagte Brissier leichthin.
»Sie sind ein Teufel, Capitaine«, sagte Bäcker leise. »Die berühmte ›Versuchung in der Wüste‹ …«
»Überlegen Sie's sich, Paul.« Brissier watete durch das seichte Uferwasser und kletterte auf den linken Schwimmer seines Flugbootes. Er hielt sich an den Verstrebungen fest und winkte Bäcker zu. »Ich fliege Sie sofort nach Papeete!« rief er. »Sie brauchen sich nur zu melden. Ich lasse Ihnen ein kleines Funkgerät hier. Die Batterie reicht für vier Wochen … bis dahin werden Sie mit sich wohl einig geworden sein …«
»Fliegen Sie ab, Capitaine!« sagte Bäcker rauh. »Und halten Sie endlich den Mund!«
»Brauchen Sie sonst noch was? Kann ich Ihnen etwas hierlassen? Munition? Waffen? Sprit?«
»Ich habe kein Boot und keinen Motor mehr. Nur ein Floß aus Baumstämmen und leeren Benzintonnen.«
»Paul, Sie sind das größte Rindvieh unter der Sonne!«
»Vielleicht – aber ein glückliches Rindvieh …«
»Ich komme wieder und bringe Ihnen einen Außenbordmotor und Benzin. Einverstanden?«
»Sie sind immer willkommen, Brissier … Sie allein!« Paul winkte mit beiden Armen. Brissier stieg in die Pilotenkanzel und schob dann die Tür zu. Langsam begannen sich die Propeller zu drehen, der Motor brummte dumpf, wurde lauter und heulte dann auf. Brissier grüßte durch die Scheibe der Kanzel, dann glitt das Flugboot sanft über das Wasser, drehte ab und fuhr hinaus auf das offene Meer.
Bäcker blieb am Strand, bis sich Brissier von den Wellen abgehoben hatte und das Flugboot als glitzernder Punkt am graublauen Horizont verschwand. Dann ging er zurück zu Rainu.
Sie hockte noch immer nach Eingeborenenart auf ihren Fersen und hatte die Hände auf den Knien liegen.
»Was hat er gesagt?« fragte sie. Der Wind wehte ihr das lange schwarze Haar über den nackten Oberkörper und die Stirn. Paul setzte sich neben Rainu.
»Er spielte den Versucher.«
»Versucher? Was ist das?«
»Ich will es dir erklären, Rainu. Wir haben einen Gott …«
»Er heißt Jesus«, sagte Rainu.
»Himmel noch mal, woher weißt du das denn?«
»Von Pater Pierre. Er war vier Wochen bei uns auf Vahua Oa. Er hat uns viel von diesem Jesus erzählt. Aber dann verjagten wir ihn …«
»Pater Pierre!« Paul Bäcker sah Rainu lange an. In seinem Kopf wirbelten die Gedanken. »Rainu –«, sagte er endlich, »das war ein guter Hinweis. Ich werde Pater Pierre fragen.«
Am nächsten Morgen baute er Brissiers kleines Funkgerät auf, stellte die angegebene Frequenz ein und begann zu funken. Ganz leise, kaum verständlich kam die Antwort.
»Militärflugbasis Papeete … Militärflugbasis …«
Es dauerte eine Stunde, bis Brissier
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