Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn
endlich selbst am Morseapparat saß und schmunzelnd die Botschaft hörte, die ihm Paul durch den Äther sandte.
»Der Teufel hole Sie, Brissier! Ich brauche ein kleines Boot mit Motor, Benzin und eine Seekarte meines Gebietes. Ist das ohne Aufsehen möglich?«
Und Brissier antwortete: »In Ordnung, Paul. Ich bringe Ihnen alles in zwei Wochen. Was ist mit einem Flug nach Papeete?«
»Ende!« funkte Bäcker und schaltete ab. Aber er wußte, daß das keine Antwort war.
Als er hochblickte, stand Rainu hinter ihm. In ihren Augen lag tiefe Traurigkeit.
»Du willst weg?« fragte sie.
»Nein«, sagte er.
»Warum lügst du, Paulo?«
Sie wandte sich ab und ging hinunter zum Meer.
In der Nacht klammerte sie sich an ihn, und er erlebte zum erstenmal, daß Rainu laut und verzweifelt weinen konnte.
XVII
Paul Bäcker nahm seine täglichen Fahrten zwischen Viktoria-Eiland und Anne-Eiland wieder auf. Die Überquerung der Meerenge war jetzt schon eine Routinesache, er kannte genau die neue Strömung zwischen den beiden Inseln, und das erste Auftauchen eines Hais beantwortete er mit einer gnadenlosen Jagd. Er blieb so lange auf dem Floß liegen und ließ sich treiben, bis der Hai nahe genug herangekommen war, dann erschoß er ihn mit dem übriggebliebenen Gewehr. Er wartete genau den Moment ab, in dem der Kopf des Hais dicht unter der Wasseroberfläche dahinglitt und er die kalten, mordlustigen Augen deutlich erkennen konnte. Es war sicher, daß andere Haie nachkommen würden, aber Bäcker war froh, wenigstens diesen einen wieder getötet zu haben.
Auf Viktoria-Eiland war die Natur auf rätselhafte Weise wieder zum Leben erwacht. Was die Vernichtung übriggelassen hatte, regte sich mit unheimlicher Fruchtbarkeit. Bambus sproß aus dem Boden, und in Annes Gemüse- und Salatgarten wuchsen die Salatköpfe. Paul und Rainu ernteten frisches Gemüse, holten sich von allen Pflanzen Sprößlinge herüber und setzten sie auf Anne-Eiland ein.
Brissier und jeder andere, der von Bäckers Reichtum eine Ahnung gehabt hätte, würde diese Arbeit als völlig idiotisch bezeichnet haben. Da bauten ein junger Mann und ein Mädchen eine neue Welt auf, obgleich sie die Möglichkeit hatten, sich die schönste, vollkommenste, fertige Welt zu kaufen.
Paul rührte das kleine Funkgerät nicht mehr an. Ein paarmal schlich er um den Kasten herum, aber dann dachte er an Rainus verzweifeltes Weinen und an ihre Angst, ihn zu verlieren, wenn er eintauchen würde in die Zivilisation. Aber er wartete. Er wartete mit einer nie gekannten Ungeduld auf Brissier und das versprochene Boot mit dem Außenbordmotor. Auch der gelähmte, sterbenskranke Dubonnet ging ihm nicht mehr aus dem Sinn … Brissier hatte etwas in Paul Bäcker ausgesät, was gegen seinen Willen Wurzeln gefaßt hatte und nun ständig wuchs.
Rainu arbeitete still und ausdauernd, legte Gärten an, harkte die Erde, grub neue Beete um, pflanzte und half Paul beim Graben von Bewässerungskanälen und kleinen Steinschleusen, mit denen er das Wasser aus der Quelle zu den verschiedenen Feldern leiten konnte.
Sie schien nie zu ermüden, ihre Kraft war unerschöpflich. Paul mußte immer wieder an seine Mutter denken, auch ihr hatte die Liebe eine Kraft gegeben, die unbegreiflich war.
Nachts lag Rainu in seinen Armen, und jede Nacht schliefen sie Körper an Körper ein, ineinander verschlungen, als fürchte jeder vom anderen, er könne sich heimlich davonschleichen.
Nach drei Wochen endlich hörte Paul ein fernes Flugzeugbrummen. Er grub mit Rainu gerade einen neuen Kanal, warf die Hacke hin und legte beide Hände über die Augen. Noch war nichts gegen das strahlende Blau des Himmels und den Goldglanz der Sonne zu sehen, aber plötzlich würde ein Punkt erscheinen, glitzernd und blitzend, würde größer werden und Form annehmen … der Bote aus einer Welt, an die Paul durch seine heimlichen Gedanken gefesselt war.
Er versuchte gleichgültig zu wirken, aber sein Herz klopfte bis zum Hals. Doch er konnte Rainu nicht täuschen – mit dem Instinkt eines Tieres für die nahe Gefahr erkannte sie genau, was in ihm vorging.
»Der Capitaine kommt. Gehst du fort?« sagte sie, bevor Paul noch etwas erkennen konnte. »Wann kommst du wieder, Paulo?«
»Was redest du für einen Unsinn, Rainu?« Er legte den Arm um sie und spürte, wie sie zitterte. »Brissier bringt nur ein Boot und einen Motor.«
»Wozu?«
»Wir brauchen es.«
»Für die Meerenge brauchen wir nur ein Floß. Genügt es nicht
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