Wer stirbt Palmen ... 2: Der Sohn
mehr?«
»Nein.«
»Wohin willst du, Paulo?«
»Vielleicht nach Vahua Oa …«
Sie sah ihn mit ihren großen schwarzen Augen so traurig an, daß er schnell wegblickte. »Ich will nie mehr dahin zurück«, sagte sie. »Ich gehöre nur dir.«
»Wir werden nach Katatoki fahren. Zu Pater Pierre.«
»Warum?«
»Ich muß mit jemandem sprechen, der mir einen vernünftigen Rat geben kann.«
»Ich kann dir auch einen Rat geben, Paulo«, sagte sie leise. Sie legte den schmalen Kopf gegen seine Brust und drückte die Hände flach an ihre nackten Brüste. Das Flugboot war jetzt deutlich zu erkennen, die Glaskanzel blitzte, die gelben Schwimmer leuchteten. Es war, als fiele das Flugzeug wie ein Tropfen aus der Sonne. »Ich liebe dich.«
Paul legte seinen Arm um Rainus Schulter. »Und weiter?«
»Weiter nichts! Genügt das nicht?«
Paul atmete tief auf. »Es genügt. Ich verstehe, Rainu. Wir werden immer zusammenbleiben, das weißt du. Gerade darum müssen wir zu Pater Pierre.«
»Wir?«
»Natürlich. Du fährst mit.«
Sie hob den Kopf, lächelte ihn an, ergriff seine Hände und führte sie zu ihren Brüsten. So erwarteten sie Brissier, der elegant in der weitgeschwungenen Bucht landete und bis ins seichte Wasser heranfuhr. Dort blieben die Propeller stehen, die Tür der Pilotenkabine öffnete sich, und Brissiers Kopf erschien.
»Hallo!« brüllte er hinüber zum Land. »Ist dort die Liebesinsel von zwei verrückten Menschen?«
»Steigen Sie aus, Capitaine«, schrie Bäcker zurück und drückte Rainu an sich. »Sind Sie allein?«
»Ja.« Brissier sprang auf den linken Schwimmer, watete an Land und lief den Strand hinauf. Vor Bäcker und Rainu blieb er stehen und schüttelte den Kopf. »Ein Bild, von dem ich seit meinem ersten Besuch unentwegt träume. Das personifizierte Glück. Daß es so etwas überhaupt noch gibt! Wissen Sie, daß man mich in Kameradenkreisen verdächtigt, eine heimliche Geliebte zu haben, zu der ich ab und zu einen Ausflug mache? Ich hab's Ihnen zuliebe geschluckt.«
»Sie haben uns also nicht verraten, Brissier?« Bäcker empfand eine tiefe Erleichterung. Er ließ Rainu los und ging Brissier entgegen. Sie gaben sich die Hand, sahen sich kurz an und umarmten sich dann. Sie waren Freunde geworden.
Brissier begrüßte Rainu, wie er einst Anne begrüßt hatte: mit der vollendeten Höflichkeit eines Kavaliers. Rainu spürte, was er damit ausdrücken wollte: Sie war nicht mehr das Götteropfer, das ein weißer Mann befreit und zu seiner Geliebten gemacht hatte. Sie war die Herrin der Insel.
»Helft mir ausladen!« sagte Brissier fröhlich. »Ich habe alle Sitze rausgenommen, um das Boot reinzukriegen. Ein schönes Ding, Paul. Ganz aus Kunststoff, mit eingeschäumten Luftkammern im Boden, praktisch unsinkbar. Nur umschlagen kann es bei ganz rauher See. Und einen Motor habe ich gekauft … 80 PS! Ein toller Brummer! Ich habe nur noch eine Frage vorweg: Wie wollen Sie das bezahlen? Ich habe mir's auf Kredit geben lassen, aber schließlich muß es ja mal bezahlt werden.«
»Die Konten meines Vaters …«
»Sind noch gesperrt. Vergessen Sie nicht: Die Familie Bäcker ist amtlich tot.« Brissier nahm den Tee aus Rainus Hand und trank einen kleinen Schluck. »Sie müssen also, ob Sie's wollen oder nicht, auftauchen und Ihre Erbansprüche anmelden.«
»Das Boot ist der Anfang, Capitaine.«
»Und wie geht's weiter?«
»Sie haben mich in eine verdammte Klemme gebracht, Brissier. Ich weiß, daß ich auf Anne-Eiland bleiben werde, aber ich kann auch nicht so dumm sein, die Gelegenheit mit Dubonnet einfach vorübergehen zu lassen. Vielleicht könnte ich – wie mein Vater – beides miteinander verbinden. Im Paradies wohnen, und jenseits des Meeres das Geld arbeiten lassen.«
»Und dann sitzen Sie eines Tages hier auf Ihrem Felsen und fragen sich: Wozu das alles? Da ist man Millionär und lebt doch wie in der Steinzeit. Paul, wenn Sie meine Meinung hören wollen …«
»Ich will sie nicht hören, Raoul.«
Es war das erstemal, daß er Brissier beim Vornamen nannte. »Vielleicht sind meine Kinder einmal anderer Meinung.«
»Die? Nie! Wenn sie echte Bäckers werden … und dann noch die Mischung mit Rainu … das ist die Aufzucht eines Geschlechts von Superidealisten.« Brissier blickte hinüber zu Rainu, die zur Quelle gegangen war und nun zurückkam. Sie trug einen Kanister mit frischem Wasser auf dem Kopf. Nur ihre Beine bewegten sich; Leib, Oberkörper und Kopf blieben eine einzige, ruhige Linie.
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