Wer stirbt schon gern in Düsseldorf?
Eicherscheid‹ als Überschrift und jeder Handwerker, der Architekt, der Generalunternehmer und was-weiss-ich hätte mit Sicherheit eine kleine Anzeige geschaltet. Das hat uns bei dem Hallenbau der Mützenicher einen satten Stiefel gebracht.«
»Und?«, fragte Nusselein. Man merkte ihm an, dass er mit den Gedanken immer noch im Hohen Venn war.
»Der Reiterverein hat das abgelehnt. Sie hätten einen Vertrag mit ›Supereifel am Donnerstag‹ und die würden die Anzeigenseite schon machen.«
»Also schreiben wir nix drüber«, sagte Nusselein erleichtert.
»Doch, ich will, dass du einmal diese blöden Reiter mit ihren hässlichen Hallen so richtig in die Pfanne haust. Aber nicht sachlich, das kannst du sowieso nicht, einfach so ein bisschen polemisch.«
Nusselein verzog sein Gesicht und ging in den ersten Stock, wo ein mit Zeitungen, Papieren und übel riechenden Milchdosen übersäter Schreibtisch davon Zeugnis gab, dass dort sein Computer stand. Da Nusselein – wie er meint – nur bei Musik schreiben kann, legte er »Sex, age & death« von Bob Geldof auf, während aus der unteren Etage der Redaktion ein Gurgeln der Kaffeemaschine verriet, dass Elli und Kufka den gemütlichen zweiten Teil des Redaktionsnachmittags eingeläutet hatten. In einer Stunde schrieb – oder besser: hackte – er seine Reiterbetrachtung in dem Computer.
Wo Kürassier den Eklatant trifft
Eine Betrachtung von Charly Nusselein
Die rotbefrackten Reitersleut haben dem Bild ganzer ländlicher Eifeler Weichbilder einen Stempel aufgedrückt – einen Stempel allerdings, den man mit einem kräftigen Hufabdruck auf dem Hintern der Bevölkerung vergleichen muss!
Denn diese UNOX-Reiter (»Nach Gutsherrenart«) galoppieren dafür verantwortlich, dass heuer fast jeder Weiler über einen hässlichen, überdimensionalen Betonklotz namens »Reithalle« verfügt. In diesem mit landschaftsfreundlichem Wellblech bedachten Legostein können die obersten Nullachtfünfzehn eines Ortes wie zum Beispiel Eicherscheid auch wintertags – kommunal subventioniert natürlich – ihre Freizeit kreisreitend verbringen, ohne Gefahr zu laufen, von so Unbill wie Schnee oder Regen beim Damen- und Herrenreiten gestört zu werden: »Hohjatoho« ruft fröhlich der wackere Reitersmann aus, wenn das Sägemehl spritzt.
Doch organisiertes Kreisreiten erweckt im Körper den Trieb zur Nahrungs- und Getränkeaufnahme. Und so tritt die Sporengeber-Zunft nur wenige Monate nach dem Bau ihres Schuhkartons wieder an die Verwalter der Gemeindekasse heran und legt mit der Argumentationskraft eines Gewerbe- steuer-Zahlers dar, dass »… die breite Masse, also auch die Jugend in unserer Gemeinde, das Recht auf ein schmuckes Reiterstübchen hat«. Dieser Meinung kann sich natürlich kein Lokal-Politiker verschließen und so zieht man flugs neben der Halle einen weiteren Bau hoch, verkleidet diesen nach Westernart mit Holz, bricht neben dem Schanktisch ein Loch in die Wand, durch dass man die im Kreis reitenden Großkopfeten begaffen kann.
»Popopo« – und schon kann zur lustigen Fuchs-Jagd geblasen werden, derweil es sich an der Theke die Après-Reiter bequem machen.
Während Skifahrer, Froschmänner und Balltreter – bürgerlich ordinär, wie sie nun einmal sind – nach Ausübung ihres Sports auf so spießige Ideen wie Duschen und Kleiderwechseln verfallen, stapft der Reitersmann vom Spielfeld Pferderücken geradewegs zum Zapfhahn. Da steht man nun – vertieft in Fachgespräche – mit schwarz befilztem Sturzhelm, neckischem Reiterstöckchen, Reithose (die so manches Sitzfleisch optisch positiv vergrößert) und Gummileder-Stiefeln und – riecht nach Pferd.
Man insidert von »Meinem Kürassier« und »Meinem Eklatant«, über das »… wirklich interessante Deckstellenverzeichnis«, von »… den großen Zuchterfolgen des Hengstes ›Tenor von Tümmler an der Tilsit‹ in Warendorf« und über das »… heutige Blutbild in der hannoverschen Warmblutzucht«.
Um das Gesagte zu untermauern, schlägt (reiters)man sich vielsagend mit der Gerte auf die Stiefel und schlürft dabei Cocktails aus Orangensaft, Alkoholischem und Obstscheiben, die Namen wie »Turnier«, »Sieger« und »Weltmeister« tragen.
Mein Bier, und das beweist mir an diesem Ort nachdrücklich meine Dekadenz und Unerwünschtheit, heißt dagegen schlicht und ergreifend nur Bier …
Ohne seinen Erguss gegenzulesen, gab Nusselein den »Drucken«-Befehl und rannte mit den ausgespuckten zwei Blättern in die
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