Wer stirbt schon gern in Düsseldorf?
erzählt. Ja, ich war bei diesem Empfang, bei dem dieser Landtagsabgeordnete wohl ermordet worden ist. Ungefähr eine Stunde mit ›Riz‹, das ist unser Fotograf für alle Fälle. Vom Verkehrsunfall bis zur Preisverleihung. Ich habe mir mal alle Bilder aus dem Archiv geholt und hier – das habe ich geschrieben. Ein Termin, wie er jeden Abend in Düsseldorf stattfindet. Nichts Besonderes, aber die Leute wollen am nächsten Tag ihre Nase in der AZ sehen.«
»Der Stefan« hatte sich diskret, wie Kellner nun einmal sind, zurückgezogen und Gaby Gottschling reichte Zimmermann eine Kopie ihres damaligen Artikels. Dieser überflog die Rubrik:
Partytime mit Gaby
Der »Düsseldorfer Presse- & Landtagsball« hatte gerufen und zahlreiche Promis kamen.
Düsseldorf – Pflichttermin für die Reichen, Schönen und Mächtigen der Stadt. Im Braumeistersaal einer stadtbekannten Altbier-Brauerei fand gestern Abend der ›Düsseldorfer Presse- & Landtagsball‹ statt. Im Mittelpunkt des festlichen Empfangs ab 19 Uhr: Das Traumpaar der Düsseldorfer SPD: Ulla Ophoven, die unter ihrem Künstlernamen Susanne von Breitenstein erst unlängst den Bestseller ›Die Freiheit der Pinguinweibchen‹ veröffentlichte, zeigte sich nach langer Zeit wieder einmal an der Seite ihres Mannes Dr. Volker Ophoven, persönlicher Referent des Ministerpräsidenten. Die beiden turtelten glücklich, obwohl durch die Koalitionsverhandlungen der gemeinsame Urlaub in Florida geplatzt war.
Die Gästeliste des Presseballs las sich wieder einmal wie ein Who is Who vom Rhein: ABENDZEITUNG-Mitherausgeber Konstantin Tümont, Ministerpräsident Nils Steenken mit seiner entzückenden Ehefrau Jutta, Innenminister Fritz Behrens, Ratsherr Dirk-Peter Sültenfuß, CDU-Spitzenkandidat Bernd Balkenhol, Beatrix Philipp, Bundestagsabgeordnete für Düsseldorf–Süd, Landtagsabgeordneter Werner Bischoff, Wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD Fraktion aus dem Wahlkreis Monheim, Langenfeld, Hilden und Johann Leisten, Freies-Rheinland-Abgeordneter aus Krefeld. Star des Abends war natürlich der unscheinbare Ludwig Förster aus Monschau, der als Spitzenkandidat die Freies-Rheinland-Partei in den Landtag geführt hatte. Das Pasadena Roof Orchestra sorgte für Stimmung. Gastronom Eberhard Wernersbach bescherte Gaumenfreuden und begrüßte die Gäste mit Handschlag. Der Reinerlös des Presseballs geht, wie jedes Jahr, an den Sozialfonds Fortuna Düsseldorf. Gemütlich und rheinisch – so klang der Ballabend aus.
Zimmermann überflog den Artikel und reichte ihn dann an Charly Nusselein weiter, der auch zunächst recht gelangweilt las, doch nach wenigen Zeilen mit der flachen Hand auf den Tisch schlug:
»Das ist der Hammer, der absolute Hammer. Ich werde verrückt!«
Gaby Gottschling und Gottfried Zimmermann schauten Nusselein fragend an.
»Hier, die Frau von diesem Referenten, diesem Ophoven. Die hat mit dem Förster mal ein Verhältnis gehabt. Den Namen hatte ich vergessen, bloß an den beknackten Buchtitel ›Die Freiheit der Pinguinweibchen‹ kann ich mich genau erinnern. Da habe ich wasserdichte Zeugen für. Wow! Danke, Herr Schlüter!«
* * *
Ulla Ophoven alias Susanne von Breitenstein las an diesem Morgen in der Zentralbibliothek der Düsseldorfer Stadtbüchereien am Bertha-von-Suttner-Platz. Wie oft bei Lesungen tangierte das Durchschnittsalter der Besucher heftigst die Riester-Rente, die Männer schliefen mit einem geschlossenen Auge, die Frauen werkelten in ihren Handtaschen und suchten nach Labello-Stiften. Die erfahrene Schriftstellerin störte das nicht – sie kannte das typische Lesepublikum zur Mittagszeit. Ulla Ophoven alias Susanne von Breitenstein erklärte kurz den Sinn feministischer Literatur und las dann aus einer Prosaarbeit von Ingeborg Bachmann, die sie in ihrem Erfolgsroman »Die Freiheit der Pinguinweibchen« als Hommage, als literarisches Zitat, aufgenommen habe:
»Ich habe diesen Bachmann-Text in die heutige Zeit der Kälte, die ich die Eskimozeit nenne, übertragen. Wie Sie wissen, spielt mein Roman hoch im Norden.«
Die Zuhörer nickten wissend und Ulla Ophoven alias Susanne von Breitenstein setzte sich ihre Lesebrille auf und begann. Die dritte Zuhörerin von links, das nahm sie noch mit einem Auge wahr, hatte inzwischen auch ihren Labello-Stift gefunden.
»Bisher hat der eiskalte Eskimo einfach von einem Tag zum anderen gelebt, hat jeden Tag etwas versucht und ist ohne Arg gewesen. Der eiskalte Eskimo hat so viele Möglichkeiten für
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