Wer weiter sehen will, braucht hoehere Schuhe
bevölkern und sie am Laufen zu halten. Es ist unglaublich schwierig, im Auge zu behalten, wie viel man isst. Wir alle wissen, wie es läuft, nach dem Aufstehen isst man, was man will, so lange bis man satt ist. Dasselbe macht man um die Mittagszeit, und dann noch einmal am Abend. So hat man es sein ganzes Leben gehalten und war dabei immer für sein Alter und seine Körpergröße normalgewichtig. Und dann, eines Tages, stellt man fest, dass sich das scheinbar aus heiterem Himmel verändert hat. Das Gemeine daran ist das Alter: Hormonelle Veränderungen bedeuten, dass der Körper nicht mehr so viel Nahrung braucht. So einfach ist das. Schweren Herzens muss man sich ausgerechnet bei dem einschränken, was mit die größte Freude bereitet.
Eine wirklich gute Methode, das Essen nicht zu genießen, besteht darin, all diesen Unsinn zu glauben, der darüber geschrieben wird. Nehmen Sie zum Beispiel das Stichwort Entgiftung. Als diplomierte Krankenschwester habe ich noch nie geglaubt, dass der normale, gesunde Körper voller Giftstoffe steckt. Recherchen haben schließlich gezeigt, dass unsere Körper extrem leistungsfähige Maschinen sind, die sich automatisch und ganz allein von Giftstoffen befreien. Einmal habe ich das Golden Door Wellnesszentrum in Australien besucht und mich einem einwöchigen Entgiftungsprogramm unterzogen, das daraus bestand, auf Zucker, Salz, Kaffee, Weizen, Fleisch, Milchprodukte, Fett und Alkohol zu verzichten. Stattdessen habe ich tonnenweise Obst und Gemüse verdrückt. Am Ende dieser Woche fühlte ich mich kein bisschen anders als vorher, hatte gerade einmal zwei Kilo abgenommen und war noch nie so schnell in meinem Leben ins nächste Hotel mit unbeschränktem Vorrat an Gin und Tonic gefahren.
Der Trend zum Global Food
Londoner Spitzenköche sind noch immer im Fusion-Fieber, andere hingegen, wie beispielsweise die Küchenchefs des River Café und des Moro, legen zunehmend Wert auf Schlichtheit und Qualität des im Mittelpunkt stehenden Lebensmittels. Während Peter Gordon so exotische Kreationen wie in Wasabi mariniertes Rind mit grüner Mango und Nashi-Birne, geräuchertes Lamm mit Tamarillo-Ingwer-Salsa und Schokoladen-Stew mit Quitten-Aioli serviert, bereiten »moderne britische« Spitzenköche Köstlichkeiten wie in Salz gebratenes Bio-Hühnchen mit geschmorten Gemüsen zu, was genau das ist, was Sie später auf dem Teller haben werden – das herrlichste Geflügel, das Sie jemals gegessen haben und das nach nichts als nach sich selbst und den breiten Bohnen, Erbsen und Artischocken schmeckt, die es begleiten. Oder Sie haben ein erstklassiges Stück Fisch mit Kapern und Petersilie auf Ihrem Teller und dazu eine kleine Portion gedünsteten Mangold. Trotz allem, was die Leute sagen, ist von Könnern zubereitetes Fusion-Food in Europa noch immer begehrt und angesagt, vor allem in Frankreich, wo man sich allmählich vom Joch der Tradition befreit und gern ein wenig zu experimentieren beginnt. Leichtere, weniger umständliche Gerichte jedoch sind auf den Speisekarten eindeutig auf dem Vormarsch. Laut Guide Michelin wird in diesem Jahr in Tokio am besten und unter Verwendung der besten Nahrungsmittel gekocht.
Die privilegierte Welt von heute lebt eher, um zu essen, statt zu essen, um zu leben. Die Menschen leben länger, sind besser bei Kasse, essen häufiger aus reinem Spaß an der Freude und haben hohe Ansprüche an die Qualität. So entstehen viele Nischenmärkte. Die Leute wollen ein Erlebnis der Spitzenklasse; wenn sie sterben, wollen sie sich nur an die wunderbaren Mahlzeiten erinnern, die sie genossen haben. Wer hätte gedacht, dass so etwas Langweiliges wie Salz eines Tages zum Designerprodukt avancieren würde? Verbraucher wollen auch wissen, was sie essen. Sie erwarten, dass die Lebensmittel, die sie zu sich nehmen, nicht schädlich sind, sondern ihnen ein langes, gesundes Leben versprechen und die Umwelt nicht zerstören. Am wichtigsten ist jedoch der Geschmack. Wir müssen auch weiterhin Speisen zubereiten, die gut schmecken und uns guttun.
Umfassende Recherchen sprechen im Hinblick auf Ernährung und Gesundheit eine klare Sprache: Japaner essen fettarm und leiden seltener an Herzerkrankungen als wir; Mexikaner essen fettreich und leiden seltener an Herzerkrankungen als wir; Chinesen trinken selten Rotwein und leiden seltener an Herzerkrankungen als wir; Deutsche stopfen sich mit Bier, Würstchen und Fett voll und leiden seltener an Herzerkrankungen als wir. Der Schluss liegt auf
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