Wer Wind sät
für sein Verhalten rechtfertigen. Nicht jetzt und ganz sicher nicht hier.
»Das klären wir noch.« Sie funkelte ihn an, und Bodenstein konnte beinahe ihr wütendes Zähneknirschen hören, als sie schlieÃlich als Erste den Blick abwandte, um ihr Gesicht nicht zu verlieren.
»Frau Kirchhoff, bitte. Fangen Sie an«, forderte sie Pia auf. Ihre Augen schossen zornige Blitze, auf die Bodenstein nur mit einem kurzen Hochziehen der Augenbrauen reagierte. Er bemühte sich, Pias Ausführungen zu folgen, aber seine Gedanken verselbständigten sich bereits nach wenigen Minuten.
In über zwanzig Jahren bei der Polizei hatte immer wieder jemand versucht, ihn zu bestechen, doch keine materielle Verlockung hatte ihn je ernsthaft in Versuchung geführt. Seine Integrität bedeutete ihm viel. Weshalb löste Rademachers Bestechungsangebot keine echte moralische Empörung in ihm aus? War es überhaupt eines gewesen, oder hatte er etwas falsch verstanden? Genau genommen hatte Rademacher nur gesagt, es solle sein Schaden nicht sein, gelänge es ihm, seinen Vater zum Verkauf der Wiese zu überreden. Das konnte selbst der böswilligste interne Ermittler noch nicht als echten Bestechungsversuch werten.
Aber was sollte er seinem Vater heute Abend raten? Er musste Quentin und Marie-Louise von Rademachers vagen Drohungen erzählen, obwohl die beiden dann sofort vom Vater verlangen würden, die Wiese zu verkaufen, bevor sie in ernsthafte existentielle Schwierigkeiten gerieten.
Falls es tatsächlich so weit käme, falls sein Vater sich entschloss, dem Druck seiner Kinder nachzugeben und der WindPro die Wiese entgegen seiner persönlichen Ãberzeugung zu verkaufen â hätten sie sich dann erpressen lassen? Und selbst wenn, spielte das überhaupt eine Rolle bei drei Millionen Euro?
Bodenstein seufzte innerlich. Das wäre die einfachste Lösung â und eine lukrative obendrein â, aber es war unrealistisch, auf einen Sinneswandel seines Vaters zu hoffen. Er würde sich so stur stellen wie Hirtreiter. Zwar aus anderen Gründen, aber das interessierte einen Enno Rademacher nicht im Geringsten. An dessen rücksichtsloser Entschlossenheit zweifelte Bodenstein keine Sekunde.
*
»Also?« Jannis blickte sie an. »Warum machst du so ein Geheimnis aus deiner Vergangenheit?«
Sie saÃen sich am Küchentisch gegenüber. Das Osso Bucco schmorte im Backofen vor sich hin, auf dem Herd kochten die Kartoffeln. Nika hatte sich von ihrem ersten Schrecken erholt und dachte darüber nach, ob sie Jannis die Wahrheit sagen sollte, damit er den Ernst der Lage begriff. Er hatte fest vor, heute Abend auf Dirk Eisenhuts Vortrag zu gehen. Um Theissen zu brüskieren, aber würde er sich damit begnügen? Jannis war eine tickende Bombe. Und er war blind vor Rachsucht und verletzter Eitelkeit.
»Ich habe fünfzehn Jahre lang fast ohne einen Tag Urlaub gearbeitet, irgendwann war ich am Ende.« Nika entschied sich für die Lüge. Sie traute ihm nicht. »Burn-out. Nichts ging mehr. Mein Chef hatte kein Verständnis für mich, deshalb habe ich kurz vor Weihnachten alles hingeschmissen und gekündigt.«
Jannis blickte sie an. Sie sah die Zweifel in seinen Augen.
»Mensch, Nika.« Unvermittelt langte er über den Tisch und legte seine Hand auf ihre. »Du und ich, wir könnten zusammen echt etwas erreichen. Du warst die Assistentin von Deutschlands Klimapapst, du ⦠du bist eine echte Insiderin! Ich war auch richtig gut in meinem Job, bevor mein Chef mir in den Arsch getreten hat. Jetzt krieg ich in der Branche keinen Fuà mehr auf den Boden.«
Er lieà ihre Hand los und stand auf.
»Theissen ist ein profitgeiles Arschloch. Ihn interessiert der ganze Ãkokram einen feuchten Dreck. Wusstest du, dass er früher ein hohes Tier bei RWE gewesen ist? Verantwortlich für die Kernenergie? Er und ein paar andere Atomkraftlobbyisten kamen in den 80 er Jahren auf die glorreiche Idee, das Thema âºKlimaâ¹ quasi zu erfinden, um eine Rechtfertigung für den Bau immer neuer Kernkraftwerke zu haben. Atomkraft als Alternative zur CO 2 -Emission, sozusagen.«
Jannis schob die Hände in die Taschen seiner Jeans und ging in der Küche auf und ab. Nika beobachtete ihn beunruhigt.
»Das haben die Politiker auf der ganzen Welt freudig aufgegriffen«, fuhr er fort. »Nachdem Waldsterben und Ozonloch nicht
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