Wer Wind sät
Lächeln noch zu einem Handschlag. Er lehnte sich zurück und fixierte Bodenstein abschätzig. Der erwiderte seinen Blick ebenfalls ohne zu lächeln. Heiko Störch und er hatten gemeinsam die Polizeifachhochschule besucht, waren in den drei Jahren aber keine Freunde geworden. Die Zeit war an Störch nicht spurlos vorbeigegangen: Früher war er klein und muskulös gewesen, mittlerweile hatten sich die Muskeln in Fett verwandelt, und sein Haar über dem feisten, geröteten Gesicht war schneeweiÃ. Der Anzug kleidete ihn nicht, er war auÃerdem viel zu eng.
»Herr von Bodenstein.« Sein überheblicher, näselnder Tonfall hatte sich hingegen nicht verändert. Schon damals hatte Störch mit dem Adelsprädikat vor Bodensteins Namen heftig gehadert. »Mein Kollege Herröder.«
»Und das ist Professor Dirk Eisenhut«, stellte Dr. Engel den dritten Besucher am Fenster vor, der sich daraufhin umdrehte.
Bodensteins Herzschlag beschleunigte sich augenblicklich. Er hatte nicht damit gerechnet, dem Mann, von dem er vergangene Nacht das erste Mal gehört hatte, so bald persönlich gegenüberzustehen.
Eisenhut war fast so groà wie er selbst und etwa Mitte fünfzig. Er hatte ein kantiges, ernstes Gesicht mit hohlen Wangen und tiefliegenden blauen Augen, die Bodenstein kurz und forschend musterten. So also sah der Mann aus, den Annika einmal geliebt hatte und vor dem sie sich heute verstecken musste.
»Kommen wir zur Sache.« Störch räusperte sich. »Wir sind auf der Suche nach einer Frau, die sich nach unseren neuesten Informationen im Dunstkreis einer Bürgerinitiative aufhalten soll, gegen deren Mitglieder Sie und Ihre Leute derzeit ermitteln. Sie heiÃt Dr. Annika Sommerfeld.«
»Aha.« Bodenstein brauchte alle Kraft, um eine erstaunte und neutrale Miene zu bewahren. Seine Gedanken überschlugen sich. Wie konnte das sein? Wie kamen zwei hochrangige Beamte des BKA dazu, ausgerechnet heute und hier nach Annika zu fragen? Heiko Störch war beim Staatsschutz, er leitete das Referat ST beim Bundeskriminalamt, das sich normalerweise mit internationaler Ermittlung und Fahndung beschäftigte. Die einzige Erklärung war, dass Professor Eisenhut, sofort nachdem Theodorakis auf dem Vortrag gestern Abend Annikas Namen erwähnt hatte, seine Beziehungen hatte spielen lassen. Und die mussten wahrhaftig exzellent sein. Die Anwesenheit dieser drei Männer war auf jeden Fall der Beweis dafür, dass Annika ihm die Wahrheit gesagt hatte.
»Herr Hauptkommissar?«, mahnte Dr. Engel ungeduldig.
»Ich bin gerade in Gedanken alle Namen durchgegangen, die mir in Verbindung mit den Fällen Grossmann und Hirtreiter bekannt sind«, erwiderte Bodenstein geistesgegenwärtig. »Der Name Annette Sommerfeld sagt mir nichts.«
»Annika. Annika Sommerfeld«, korrigierte Störch. »Sie ist eine der führenden Klimaforscherinnen Deutschlands und hat zuletzt am Deutschen Klima-Institut als Assistentin von Herrn Professor Eisenhut gearbeitet.«
Sein Kollege, der bis dahin gänzlich unbeteiligt getan hatte, legte einen Aktenkoffer auf den Tisch und lieà die Schlösser aufspringen. Er nahm einen Umschlag heraus, den er mit einer lässigen Bewegung in Bodensteins Richtung schnippte.
»Was ist das?«
»Fotos der gesuchten Person«, erwiderte Herröder knapp.
Er war schlank und braungebrannt; sein spitzes Gesicht, das vorspringende Kinn und der aggressive Ausdruck in seinen schwarzen Knopfaugen verliehen ihm Ãhnlichkeit mit einem Dobermann. »Schauen Sie sich die Bilder an. Vielleicht ist Ihnen die Person unter einem anderen Namen bekannt.«
Bodenstein beugte sich über den Tisch, nahm die Fotos aus dem Umschlag und blätterte sie durch. Annika. Annika mit Handy am Ohr. In Begleitung eines rothaarigen Mannes. Annika und der Mann in einem Auto. Zu Fuà auf einer belebten StraÃe in irgendeiner GroÃstadt. Auf Loungemöbeln sitzend vor einer Bar. Sie sah jünger aus auf den Fotos, ihr Gesicht war voller und weicher. Die letzten Monate hatten ihr nicht gutgetan.
»Weswegen wird sie gesucht?«, erkundigte Bodenstein sich. Vier aufmerksame Augenpaare ruhten auf ihm, aber dank seiner eisernen Selbstbeherrschung würden sie nur sein unbewegtes Gesicht wahrnehmen, nicht aber seinen rasenden Puls oder seine feuchten Handflächen.
»Wir verdächtigen Frau Sommerfeld des Mordes an dem Mann
Weitere Kostenlose Bücher