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Wer Wind sät

Wer Wind sät

Titel: Wer Wind sät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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karierten Bermudashorts und Polohemd und beäugte sie neugierig. Auch der Autowäscher und seine Söhne glotzten.
    Kröger zog seine Dienstwaffe aus dem Schulterhalfter.
    Â»Gehen Sie lieber ins Haus«, riet er dem Nachbarn mit ernster Miene. »Es könnten ein paar Schüsse fallen, wenn sich die Terroristen der Verhaftung widersetzen.«
    Der Alte prallte erschrocken zurück und trat schleunigst den Rückzug an. Den Rasenmäher ließ er mitten im Vorgarten stehen. Pia kicherte.
    Kröger zwinkerte ihr zu und steckte mit einem Grinsen die Waffe wieder weg.
    Â»Sorry«, sagte er. »Ich konnte einfach nicht widerstehen.«
    Die Sonne brannte vom wolkenlosen Himmel. Der Rasenmähermann hatte offenbar einen Rundruf getätigt, denn in den umliegenden Vorgärten war jede Samstagvormittagsaktivität abrupt eingestellt worden. Die ganze Straße lag wie ausgestorben da. Das frisch gewaschene Auto gegenüber trocknete unpoliert in der Sonne, Schlauch und Eimer waren achtlos liegengelassen worden. Wenigstens hatte Krögers Bemerkung die Schaulustigen von der Straße vertrieben. Pias Handy summte.
    Â»Wir sind im Garten«, verkündete einer der Beamten. »Ein Auto mit zwei Hunden hinten drin steht am Gartentor. Aber sonst ist alles ruhig.«
    Â»Okay«, erwiderte Pia. »Bleibt in Deckung. Wir gehen jetzt rein.«
    Gefolgt von Kröger und einem der Streifenbeamten ging sie durch den Vorgarten und die beiden Treppenstufen hoch. Die Haustür stand offen. Pia versetzte ihr einen leichten Stoß und machte einen Schritt in das Halbdunkel des Hausinnern. Vor ihr lag eine große Eingangsdiele, die geradeaus in die Küche führte. Rechts befanden sich eine Tür und eine Treppe in das obere Stockwerk, auf der linken Seite ging es in einen schmalen Flur, daneben in ein sonnendurchflutetes Wohnzimmer mit Fenstern bis zum Boden und einem offenen Kamin.
    Â»Hallo?«, rief Pia angespannt. »Ist jemand zu Hause? Hier ist die Polizei!«
    Sie wagte sich ein Stück weiter, Kröger folgte ihr auf dem Fuß. Der rasenmähende Nachbar hatte etwas von einer Hausdurchsuchung gefaselt, die Haustür war unverschlossen gewesen. Was ging hier vor? Pia spürte ein Prickeln im Nacken.
    Â»Herr Theodorakis? Frau Franzen?« Ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Ein Blickkontakt mit Kröger genügte zur Verständigung, auf ein Kopfnicken von ihm zog sie ihre Waffe und entsicherte sie. Es war beileibe nicht das erste Mal, dass sie ein fremdes Gebäude betrat, ohne zu wissen, was sie dort erwartete, aber es war jedes Mal wieder eigenartig. Sie trug keine schusssichere Weste. Unwillkürlich dachte sie an Christoph und daran, wie wenig ihm dieser Teil ihres Jobs gefiel. Sie versuchte, den Gedanken zu verdrängen, aber unter der Anspannung machte sich ein anderes Gefühl breit, das sie in dieser Situation überhaupt nicht gebrauchen konnte: Angst.
    Â»Was ist?«, raunte Kröger, der ihr Zögern zu bemerken schien. »Soll ich vorgehen?«
    Â»Nein.« Sie betrat entschlossen den Flur. Links ein Schlafzimmer. Rechts … Ihr stockte der Atem, ein heftiger Adrenalinstoß beschleunigte ihre Herzfrequenz. Auf den weißen Fliesen vor der Badewanne kniete ein junger Mann. Er blickte erschrocken hoch, als Pia in der Tür erschien. In den Händen hielt er ein Küchenmesser, seine Hände und sein helles T-Shirt waren voller Blut. Er war höchstens sechzehn oder siebzehn, kein Kind mehr, aber auch noch kein Erwachsener. Unfertige, weiche Gesichtszüge, halb verdeckt von einem dunkelblonden Haarvorhang.
    Â»Leg das Messer hin!«, befahl Pia mit fester Stimme und hielt die Waffe auf ihn gerichtet. Der Junge starrte sie ein paar Sekunden lang an, dann sprang er auf und ließ das Messer fallen. Es klirrte auf die Fliesen. Pia war auf den Angriff nicht gefasst, sie taumelte unter dem Anprall seines Körpers gegen Kröger, ihr Kopf knallte gegen den Türrahmen. Auch ihr Kollege war zu verdutzt, um schnell zu reagieren. Wie ein Wiesel schlüpfte der Junge durch seine Finger, huschte an dem in der Halle wartenden Streifenpolizisten vorbei und entkam durch die offen stehende Küchentür in den Garten.
    Â»Verdammt«, knirschte Kröger. »Das hab ich ja auch noch nicht erlebt.«
    Â»Die Kollegen werden ihn schon erwischen.« Pia rieb sich die schmerzende Beule am Kopf, steckte ihre Waffe ein und drehte sich

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