Wer Wind sät
ist?«, erkundigte Pia sich.
»Im EDV -Raum.« Die Empfangsdame lächelte bemüht und rührte sich keinen Millimeter. »Den Gang entlang, die zweite Tür links.«
»Danke.« Pia wollte gerade weitergehen, als ihr noch etwas einfiel. »Ach, Sie haben Herrn Grossmann doch gekannt, oder?«
»Ja, natürlich.«
»Wie war er so, als Kollege?«
Die Frau zögerte eine Sekunde zu lang.
»Ganz nett«, sagte sie dann mit wenig Ãberzeugung. »Wir haben nie direkt zusammengearbeitet. Er war ja nur nachts da. Und an den Wochenenden.«
»Hm.« Pia nahm ihren Block aus der Tasche und machte sich ein paar Notizen. Tanja Simic arbeitete seit zwei Jahren auf 400 -Euro-Basis für die WindPro und kannte jeden der 48 Mitarbeiter, dazu auch die 22 AuÃendienstler, die auf den Baustellen der Windparks arbeiteten. Ihre ersten Antworten kamen zaudernd; sie taute erst auf, als Pia ihr versicherte, dass ihr Gespräch absolut vertraulich sei.
»Haben Sie mitbekommen, dass Grossmann ein Alkoholproblem hatte?«
Das hatte Tanja Simic allerdings. Es war niemandem in der Firma verborgen geblieben, denn Grossmann hatte sich immer wieder danebenbenommen. AuÃerdem war er mit dem Sicherheitschef aneinandergeraten, denn allein im vergangenen Monat hatte er dreimal vergessen, die Ãberwachungsanlage einzuschalten, und vorletzten Mittwoch war er mitten in der Nacht mit dem Mofa zur Tankstelle gefahren.
»Wahrscheinlich wollte er sich noch Zigaretten und Sprit besorgen.« Tanja Simic rollte die Augen. »Aber er hatte den Schlüssel vergessen. Morgens lag er betrunken vor dem Hintereingang und war nicht wach zu kriegen. Und zwei Wochen vorher â¦Â« Sie senkte die Stimme und blickte nach links und rechts, um sich zu vergewissern, dass niemand zuhörte, »⦠da hat er eine Frau angeschleppt und mit ihr Party gemacht, im Büro vom Chef.«
Rolf Grossmann war bei den Mitarbeitern der WindPro alles andere als beliebt gewesen. Er hatte in den Schreibtischen geschnüffelt, gelauscht, im Suff in der Tiefgarage gegen Autos gepinkelt und anzügliche Bemerkungen gemacht, deren Niveau mit dem Steigen seines Alkoholpegels sank. Die weibliche Belegschaft hatte tunlichst darauf geachtet, Grossmann nicht allein über den Weg zu laufen. Pia lauschte interessiert und machte sich Notizen. Das hörte sich völlig anders an als das, was Theissen vorhin über seinen Nachtwächter gesagt hatte.
»Er war ein Schwein«, schloss Tanja Simic und zog die Nase kraus. »Keiner hat verstanden, weshalb er sich das alles erlauben durfte.«
Das ging Pia ähnlich. Steckte hinter Theissens Duldsamkeit möglicherweise etwas anderes als alte Freundschaft und ein soziales Gewissen, wie er sie das hatte glauben machen wollen? Wieso hatte er ihr nicht die Wahrheit gesagt? Pia bedankte sich bei Tanja Simic für ihre Auskünfte und machte sich auf die Suche nach Cem Altunay. Sie würde schon herausfinden, warum Theissen sie angelogen hatte. Plötzlich empfand sie wieder das aufgeregte Prickeln, wie jedes Mal, wenn ein Fall anlief, bei dem man nicht absehen konnte, welche AusmaÃe er annehmen würde. Eines schien jedoch sicher: Dies hier war nicht länger eine Ermittlung in einem Unglücksfall. Sie waren auf der Jagd nach einem Mörder.
*
Frauke Hirtreiter deckte sorgfältig den kleinen Tisch im Büro und hob vorsichtig die Pizza mit Parmaschinken, Sardellen und doppelt Käse aus der Pappschachtel auf einen Teller. Ein bisschen Stil musste sein. Natürlich hätte Frauke die paar Meter in die Limburger StraÃe laufen und in der Pizzeria essen können, aber sie mochte es nicht, in der Ãffentlichkeit allein an einem Tisch zu sitzen und beim Essen beobachtet zu werden. Voller Vorfreude betrachtete sie die Pizza, die knusprigen Ränder, den goldgelben geschmolzenen Käse und die Schinkenstreifen. Gerade als sie das erste Stück abschnitt, mit der Gabel aufspieÃte und zum Mund führen wollte, klopfte es an der Hintertür. Verdammt. Wer war das denn? Sie hasste es, beim Essen gestört zu werden. Mit einem Fluch stemmte sie sich von ihrem Stuhl hoch, watschelte zur Tür und drehte den Schlüssel im Schloss. Ein Mann lehnte lässig am Geländer und grinste sie mit unnatürlich weiÃen Zähnen an.
»Was machst du denn hier?«, fragte Frauke unfreundlich.
»Hey, Schwesterchen. Nette
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