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Wer Wind sät

Wer Wind sät

Titel: Wer Wind sät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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mir, einer seiner Freunde sei vom Dach eines Unigebäudes gesprungen. Er zweifelte an einem Selbstmord. Und ein paar Tage vorher hatte man Bobby Bennetts Leiche im Parkhaus des Züricher Flughafens gefunden, im Kofferraum seines Mietwagens, einen Tag nachdem wir uns dort …«
    Sie verstummte, ihre Augen weiteten sich.
    Â»Einen Tag nachdem – was?«, forschte Bodenstein nach.
    Â»Er muss es die ganze Zeit über gewusst haben.« Sie holte zitternd Luft. »Er muss gewusst haben, dass wir uns in Zürich treffen und außer uns niemand über alle Details der Sache Bescheid weiß. Nur wir vier. O mein Gott. Jetzt verstehe ich erst, was das alles sollte.«
    Â»Wovon sprichst du?«, fragte Bodenstein verwirrt. »Wer soll was gewusst haben?«
    Hatte Störch nicht gesagt, die Leiche des Amerikaners sei in einem Hotelzimmer gefunden worden?
    Â»Ich bin ihm in die Falle gegangen«, redete Annika weiter, als habe er nichts gesagt. »Wie konnte ich auch wissen, was er mit mir vorhat? Ich habe Dirk immer vertraut, und dann tut er so etwas …«
    Annika schlang die Arme um ihren Oberkörper, als ob sie fröre, sie stand stumm da, die Augen weit aufgerissen.
    Â»Was … was soll ich denn jetzt bloß tun?« Ihr verzweifelter Blick drang ihm tief in die Seele. Sie spielte ihm nichts vor, ihr Entsetzen war echt. Bodenstein war mit zwei Schritten bei ihr und schloss sie in die Arme. Sie klammerte sich an ihn, er hielt sie ganz fest und murmelte beruhigende Worte. Dann führte er sie zur Couch, setzte sich und zog sie eng an sich.
    Â»Das war alles geplant«, flüsterte sie dumpf an seiner Brust. »Dirk hatte mich am Vormittag von Heiligabend in sein Büro bestellt, angeblich, um mir frohe Weihnachten zu wünschen. Wir haben Champagner getrunken. Ich … ich weiß bis heute nicht genau, was dann passiert ist, aber … aber als ich aufgewacht bin, war ich in einem Raum mit Gittern vor dem Fenster. Er hat mich in der Psychiatrie einsperren lassen!«
    Sie hob den Kopf, ihre Augen waren glasig und starr.
    Â»Ein paar Tage später haben sie mich entlassen. Einfach so. Es sei alles ein Irrtum gewesen, ich könne gehen.« Sie schauderte. »Sie gaben mir meine Sachen, mein Handy und meinen Autoschlüssel, und plötzlich stand ich draußen auf dem Parkplatz. Ich wusste nicht, wo ich war und welchen Wochentag wir hatten. Ich war völlig durcheinander. Auf einmal bekam ich eine SMS von Cieran. Er sei in der Stadt und müsse dringend mit mir reden. Ich bin zu der Adresse gefahren, die er mir genannt hatte. Ein bisschen habe ich mich gewundert, warum Cieran sich mit mir in einem Hotel im Wedding treffen wollte, aber er kannte Berlin besser als ich. Außerdem wusste ich, dass er sehr vorsichtig sein musste. Ich habe keine Sekunde daran gezweifelt, dass die SMS von ihm war, ich hatte ja eine neue Nummer, die niemand kannte. Aber ich hab nicht dran gedacht, dass … dass Dirk ja in der Zeit, in der ich in der Psychiatrie war, mein Handy benutzt haben könnte. Verstehst du, was ich meine? Sie haben uns beide in eine Falle gelockt!«
    Sie legte die Hand über den Mund und begann zu schluchzen. Bodenstein streichelte ihren Rücken und hielt sie an sich gedrückt, während sie stockend weitererzählte. Bodenstein erkannte einmal mehr, zu welch unfassbaren Dingen Menschen fähig waren, wenn ein Geheimnis unter allen Umständen gewahrt werden musste.
    *
    Mit geübten Handgriffen sattelte sie die dunkelbraune Stute, zog den Gurt fest und schwang sich in den Sattel. Seit Wochen hatte Pia nicht mehr auf dem Pferd gesessen, heute Abend würde sie heftigen Muskelkater haben, aber das war ihr im Augenblick egal. Es gab kaum etwas Besseres als einen schnellen Galopp, um den Kopf frei zu bekommen.
    Die Stute tänzelte erwartungsvoll und war kaum dazu zu bewegen, im Schritt zu bleiben. Nach ein paar hundert Metern auf dem asphaltierten Weg, der parallel neben der Autobahn entlangführte, hatte Pia das Feld erreicht. Nur vereinzelt waren Spaziergänger, Jogger, Skater und Radfahrer unterwegs, am morgigen Sonntag hingegen würden die Wege so überfüllt sein wie die Zeil. Das schöne Wetter lockte am Wochenende halb Frankfurt in den nahegelegenen Taunus. Pia gurtete noch einmal nach, dann fasste sie die Zügel kürzer und ließ die Stute antraben.
    Der Raps stand in voller leuchtendgelber Blüte

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