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Wer Wind sät

Wer Wind sät

Titel: Wer Wind sät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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lange auf sich warten lassen würden. Der Junge war der Schlüssel.
    *
    Jannis dämmerte vor sich hin. Sein Mund fühlte sich an wie mit Watte ausgestopft, seine geschwollenen Lippen waren rissig, aber er hatte wenigstens keine Schmerzen mehr, dafür sorgte der Tropf, an dem er mit dem linken Arm hing. Glück im Unglück habe er gehabt, hatte der Arzt eben bei der abendlichen Visite zu ihm gesagt. Zwar fehlten ihm fünf Zähne, aber der Kiefer war noch ganz. Sein linkes Bein war mehrfach gebrochen und in einer Operation mit Nägeln und Schrauben gerichtet worden. Der Rest seines Körpers war übersät von Prellungen, Quetschungen und Schürfwunden, die bei jeder noch so leichten Berührung höllisch brannten.
    Als er aus der Narkose aufgewacht war, hatte er erst nach einer ganzen Weile begriffen, wo er war. An den Unfall konnte er sich nur bruchstückhaft erinnern, umso lebhafter aber an das entsetzliche Gefühl der Todesangst, das ihn ergriffen hatte, als er gemerkt hatte, dass die Typen keinen Spaß machten. Die kaltblütige, gnadenlose Entschlossenheit, mit der sie ihn am helllichten Tag angefahren und zusammengeschlagen hatten, hatte etwas in ihm verändert. Niemals würde er diese furchtbaren Minuten vergessen, die Angst würde ihn nicht mehr loslassen. Was hätten die Kerle wohl mit ihm gemacht, wenn nicht zufällig die Frau mit dem Hund aufgetaucht wäre? Jannis stieß einen tiefen Seufzer aus und schauderte. Nika hatte recht gehabt mit ihren Befürchtungen, die er leichtfertig abgetan hatte. Er hatte die Lage völlig falsch eingeschätzt, und das hatte er nun von seinem großen Maul. Verdammt.
    Jannis wandte den Kopf nach links. Natürlich hatte Ricky nicht an seine Ersatzbrille gedacht, wie sollte sie auch. Sie wusste ja nicht, dass seine kaputt war. Geheult hatte sie und ein Riesentheater um ihn gemacht. Es mochte undankbar erscheinen, aber er war froh gewesen, als sie wieder verschwunden war, und mit ihr das anstrengende Gezeter und die Hektik, die sie um sich verbreitete.
    Schläfrig beobachtete er, wie die Strahlen der tiefstehenden Sonne allmählich über die weiß gestrichenen Wände wanderten. Draußen ging ein schöner, sonniger Maitag dem Abend entgegen, während er hier lag und zur Untätigkeit verdammt war. Ein Klopfen an der Tür ließ ihn zusammenzucken. Das Erste, was er sah, war ein riesiger Blumenstrauß.
    Â»Besuch für Sie«, zwitscherte die dralle asiatische Krankenschwester mit fröhlicher Stimme. »Ihr Vater und Ihr Bruder.«
    Mit einem Schlag war Jannis hellwach. Er hatte keinen Bruder, und sein Vater saß seines Wissens nach noch immer in einer Gummizelle der Psychiatrie in Riedstadt. Die Tür schloss sich lautlos, und er war allein mit zwei Männern, deren Gesichter er nur verschwommen wahrnahm. Der größere der beiden ließ den Blumenstrauß achtlos auf den Tisch unter dem Fernseher fallen, der andere trat an sein Bett.
    Jannis schnappte nach Luft, als er ihn erkannte. Die Angst kroch wie Schüttelfrost in ihm empor. Sie waren wiedergekommen, genau, wie sie es ihm angedroht hatten.
    *
    Das Haus der Theissens am Ölmühlweg in Königstein entpuppte sich als ein wunderschöner Altbau im Jugendstil, mit Erkern, Türmen und Balkonen. Die Abendsonne, die durch die hohen Tannen fiel, zauberte leuchtende Reflexe auf ockerfarbenen Putz und ließ die Sprossenfenster aufblitzen. Pia klingelte und trat einen Schritt von der Haustür zurück, die mit den sandgestrahlten Ornamenten in der Glasscheibe ein wahres Kunstwerk war. Eilige Schritte polterten eine Treppe hinunter, dann wurde die Tür aufgerissen. Ein dunkelhaariges Mädchen von etwa zwanzig Jahren mit schwarz geschminkten Rehaugen und einem knallorangefarbenen Hollister-T-Shirt musterte sie ohne großes Interesse.
    Â»Hallo.« Ihr Blick wanderte von Pia zu Cem, blieb an dessen Gesicht hängen und wurde neugierig.
    Â»Hallo. Mein Name ist Pia Kirchhoff, Kripo Hofheim«, sagte Pia und hielt ihren Ausweis hoch. »Mein Kollege Cem Altunay. Wir wollten zu Herrn und Frau Theissen.«
    Â»Ã„h. Ja, klar.« Sie wurde rot, als ob sie bei etwas Ungehörigem erwischt worden sei. »Ich sag meinen Eltern grad Bescheid.«
    Weg war sie. Irgendwo hinten im Haus spielte jemand Klavier.
    Â»Chopin«, bemerkte Cem. »Zwar nicht ganz konzertreif, aber auch nicht schlecht.«
    Pia warf ihm einen

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