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Wer Wind sät

Wer Wind sät

Titel: Wer Wind sät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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Haare, perfekte Figur, zarte, leicht gebräunte Haut.
    Â»Ist Dirk zu Hause?«, fragte sie.
    Â»Nein.«
    Misstrauen im Blick. Und auch Angst.
    Â»Kann ich auf ihn warten?«
    Â»Nein. Gehen Sie.«
    Welche gemeinen Lügen hatte er ihr wohl über sie erzählt? Unsanft drängte sie die Frau zur Seite, stand in der großen Eingangshalle und kämpfte mit ihrem Hass. Der große, wunderschön geschmückte Weihnachtsbaum leuchtete rot und golden, im Grünen Salon war eine lange Tafel prachtvoll gedeckt. Sie erwarteten offenbar Gäste, um mit ihnen fröhlich ins neue Jahr zu feiern. Diesen Gedanken konnte sie nicht ertragen. Monate hatte sie in diesem Haus zugebracht, mit Architekten, Innenausstattern und Handwerkern. Sie hatte die Arbeiten überwacht, aus der Ruine eine prachtvolle Villa gemacht. Abend für Abend war sie mit Dirk durch die Räume gegangen, sie hatten die Fortschritte der Bauarbeiten besprochen. Wie hatte sie ahnen können, dass er das alles für eine andere Frau geplant hatte? Der Hass wurde gewaltig, wahnsinnig, stärker als alles andere. Diese Frau hatte ihr Dirk gestohlen.
    Â»Ich rufe die Polizei, wenn Sie nicht gleich gehen«, vernahm sie Bettinas ängstliche Stimme hinter sich. Sie wandte sich um. Ganz in Weiß gekleidet stand sie da auf dem schwarzweiß gemusterten Marmorboden, groß und schön, wie die Dame im Schachspiel. Und was war sie selbst? Der Bauer, der geopfert werden sollte?
    Später konnte sie sich nicht mehr erinnern, wie es geschehen war, aber plötzlich hatte sie den Schürhaken in der Hand gehabt, und auf Bettinas makellosem Gesicht war Blut gewesen. Viel Blut. Sie erinnerte sich an einen erstaunten Ausdruck in babyblauen Puppenaugen, an das Splittern von Porzellan und Kristall. Verschwommen die Erinnerung an flackernde Kerzen, an heißes Wachs auf ihren kalten Fingern, an den Baum, der wie eine Fackel brannte. Wie ausgehungert fraßen sich die Flammen in die langen Vorhänge, leckten an Tapeten und Decke. Sie stand da, fasziniert und abgestoßen zugleich.
    Sie würde dieses Haus nicht haben, nicht diese Frau, die all das Wunderbare zerstört hatte, das zwischen ihr und Dirk gewesen war. Sie machte einen großen Schritt über Bettina hinweg und ging zur Haustür. Hinter ihr barst eine Fensterscheibe mit einem scharfen Knall, dann eine zweite. Angefacht vom Sauerstoff verwandelte sich das Feuer in ein Inferno.
    Â»Ein gutes neues Jahr wünsch ich dir«, sagte sie zu ihr, machte einen großen Schritt über sie hinweg und ging zur Haustür. Der 31 . Dezember 2008 würde für Dirk Eisenhut ein ganz und gar unvergesslicher Tag werden, dafür wollte sie sorgen.
    Marks Handy war abgeschaltet, ebenso die Telefone von Theodorakis und Frau Franzen. Frauke Hirtreiter war eingetroffen und hatte eine grobe Skizze des Hausinnern gezeichnet, die sich Schäfer und seine Leute genau ansahen. Auch Dr. Nicola Engel war erschienen und hatte die Leitung der Aktion an sich gerissen. Sie diskutierten, wie man am besten ins Haus gelangen konnte, um den Geiselnehmer mit Blendgranaten oder Tränengas unschädlich zu machen und zu überwältigen.
    Â»Wir wissen doch gar nicht, wo er sich aufhält«, wandte Pia ein.
    Â»Das spielt keine Rolle«, erwiderte Schäfer von oben herab. »So groß ist das Haus nicht, und wir machen so etwas nicht zum ersten Mal.«
    Â»Aber ich bin dagegen«, sagte Pia scharf. »Wir sollten erst mit Mark sprechen.«
    Der Junge war tief traumatisiert. Was seine Eltern und Frauke Hirtreiter ihr eben erzählt hatten, hatte ihr vor Augen geführt, in welcher emotionalen Ausnahmesituation sich Mark Theissen befinden musste. Was ihn letztendlich dazu veranlasst hatte, die beiden Menschen, die er über alles bewunderte, als Geiseln zu nehmen, wusste niemand.
    Â»Versuchen wir es doch auf dem Festnetz«, schlug Pia vor. Ihr entging nicht der genervte Blick, den Schäfer mit seinen beiden Leuten wechselte. Sie waren für die schnelle Lösung, doch ihr erschien das im Hinblick auf das Leben der beiden Geiseln zu riskant.
    Der Polizeipsychologe wählte die Nummer, die Frauke ihm nannte, und wartete gespannt, während das Freizeichen ertönte. Der Anrufbeantworter sprang an, mitten in der Ansage wurde abgenommen.
    Â»Ja?«
    Â»Mark, hier ist Günther Reul. Ich bin Psychologe, und ich möchte mit dir reden.«
    Â»Ich aber nicht

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